Susanne Kennedy ist für mich die bislang wichtigste Theaterregisseurin des digitalen Zeitalters. Ich sage das nicht, weil ihre Aufführungen durch den Einsatz von Beamern, Soundsystemen oder eine Vorliebe für industrielle Kunststoff- und Medienprodukte geprägt sind, zu denen auch ein bestimmter Look von Discountermode, Interieurs aus Baumarktbaustoffen oder typisierten Serienfiguren zählt. Sie interessiert sich zwar für neue Medien, aber mehr noch für den neuen Modus, wie wir die Welt und uns selbst betrachten, den die neuen Technologien hervorbringen. Durch sie wird unser Verständnis vom Körper, von Wirklichkeit oder Narration völlig verändert, hybrider, da von mindestens zwei Wirklichkeiten gleichzeitig geprägt – der physischen und virtuellen. Diesen technologischen Übergang, der gleichzeitig, da wir an das Behaustsein in unseren Körpern gebunden sind, ein spiritueller ist, erforscht Susanne Kennedy seit vielen Jahren. Wie auch den Tod, der eine Art Passage zwischen der physischen und immateriellen Welt darstellt. Sie nutzt daher das Theater, um die Erfahrung von Sterblichkeit unter den Vorzeichen einer transhumanen Kultur neu zu betrachten. In diesem Sinne stehen Kennedys Aufführungen dem Theater Artauds näher als dem von Stanislawski, schaffen sie eher Raum und Ritual als Story und figürliche Einfühlung. Sie liebt das Alien im Menschen. Der Theaterraum, vom Saal bis zur Bühne, ist...