Und endlich wirft jemand die Discokugel an. Kurze Auszeit vom Elend. In der philippinischen Karaokebar kreisen die Sterne. Glitzer auf der schäbigen Theke. Glitzer auf dem Rücken des Seemanns. Glitzer auf Mandys Gesicht. „I am sailing“, grölt sie ins Mikro dieser abgerockten Kneipe, die Regisseur Jens Poth hier ins Kleine Haus des Bremerhavener Stadttheaters gesetzt hat. Was auch sonst. Bloß fort, fort, fort. Vielleicht wird es anderswo besser. Ihr rotsträhniges Haar schwingt vor einer sonnenuntergangsroten Tapete: Palmen, das Meer, nur von ein paar Fotos überpinnt. Männer aus Übersee vor einer Wand aus Containern. „Anderswo“, vielleicht liegt das für diese Männer ja genau hier?
Bremerhaven, ja, das ist ein heißes Pflaster. Umschlagplatz des Lebens. Motor der Region. Mit seinen kilometerlangen Hafenanlagen, Schiffsterminals und Containerkränen, die wie gierige Gliedmaßen allzeit bereit in den Himmel staken, wirkt die Stadt wie eine gigantische Güter-, Menschen- und Geld-Verteilungsmaschinerie. Ständig in Bewegung – und doch halb erstarrt. Nach dem Niedergang der Hochseefischerei brach dem einst größten Fischereihafen Europas ein wichtiger Wirtschaftszweig weg. Auch die weltweite Werftenkrise traf die Hansestadt hart. Die Arbeitslosigkeit stieg Ende der Neunziger auf westdeutsches Rekordniveau, von dem sich die Stadt durch Investitionen in die Off- Shore-Industrie und den Tourismus nur langsam erholt....