1975 ging Heiner Müller zusammen mit seiner Frau, der bulgarischen Regisseurin Ginka Tscholakowa, als Gastdozent ans Department of Germanic Studies der University of Texas in Austin, einer der größten amerikanischen Universitäten. Empfohlen hatte ihn Günter Kunert, der dort drei Jahre zuvor als erster Autor aus der DDR eingeladen war und über diesen Aufenthalt einen heute noch sehr interessanten Report schrieb, „Der andere Planet“. War für Kunert dieser Amerika-Besuch ein einschneidendes Ereignis, so muss für Müller das Erlebnis seiner ersten USA-Reise in mehrfacher Hinsicht sogar als Wendepunkt gelten. Seine danach entstandenen oder vollendeten Stücke, insbesondere „Leben Gundlings“, „Die Hamletmaschine“ und „Der Auftrag“, nahmen amerikanische Themen und Stoffe auf, ihre Dramaturgie wurde mit der Collagetechnik experimenteller, und Müllers bis dahin durch die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und der Tragödie des Kommunismus geprägte Weltsicht erweiterte sich zu Landschaften und ungeheuren Räumen. Bald folgten weitere Reisen, und die Auseinandersetzung mit Amerika wurde zu einer gegenseitigen Beziehung, denn die Stücke wurden übersetzt, in Zeitschriften und Buchausgaben gedruckt und vor allem an Universitätstheatern gespielt. Höchstens noch in Frankreich erfuhr Müllers Werk – bis heute – eine solch produktive Rezeption außerhalb des deutschen Sprachraums.
Zu Müllers Amerika gehört auch eine intensive Beschäftigung mit dessen Literatur, ein Feld,...