Vater, Mutter, Kind. Dieses Urmodell dramatischer Figurenkonstellationen treibt die Autorin Yade Yasemin Önder um. Ihr Debütstück „Kartonage“, im Rahmen der Autorentheatertage 2017 am Deutschen Theater Berlin uraufgeführt, erzählte von Herrn Werner, seiner Frau „Wernerzwei“ und der gemeinsamen Tochter. Das Ehepaar lebt einen Biedermeier-(Alb)traum im titelgebenden Karton, Wernerzwei kocht unablässig Marillenmarmelade, die sukzessiv den Gatten vergiften soll, eines Tages fällt die totgeglaubte Tochter buchstäblich vom Himmel mitten in die Szenerie.
Im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschien jetzt Önders erster Roman. Er trägt den enigmatischen Titel „Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron“, wieder geht es um eine Tochter und ihre Eltern. Was in „Kartonage“ der Karton als surrealer Wohnort war, ist im Roman eine Wiese: „An einem Tag nach Tschernobyl wurde ich auf einer Wiese geboren. […] Auf die Wiese hat mein Vater eine Dreizimmerwohnung gebaut, und meine Mutter bestand nicht auf einer Badewanne. Die Gegenstände stellten wir auf Grashalme und Moos, und das Wetter tat sein Übriges: Ausgebleicht waren alle von der Witterung, vor allem die aus Holz. Die Füße faulten sicherlich, doch das war uns egal. Egal war aber nicht, der Herd kam zu spät, es war schon Dezember, erst dann konnte die Milch, die nicht von meiner Mutter...