6.6 Resonanz
Erschienen in: Improvisationstheater – Die Grundlagen (10/2018)
Wenn man in eine Gitarre singt, bringt man ihre Saiten zum Klingen. Je voller der gesungene Ton ist, umso stärker ist die Resonanz und umso mehr Saiten schwingen mit. Anstrengung hilft da nicht unbedingt. Die Fülle des Tons ergibt sich nicht allein aus der Lautstärke, sondern aus seinem Reichtum an Obertönen. Man muss die eigene Vibrationsfähigkeit ausnutzen, um Vibration zu erzeugen.
Unser Publikum ist die Harfe, die wir zum Klingen bringen. Es genügt nicht, eine Szene „abzuarbeiten“. Es genügt auch nicht, uns auf unseren Mitspieler zu fokussieren. Viola Spolin46 verglich die Theater-Improvisierer mit einer Mutter, die ihrem Kind eine Gute-Nacht-Geschichte erzählt: Es geht nie um die Geschichte an sich, sondern um die Wirkung, die sie auslöst. Wir können zwar nie hundertprozentig wissen, welche emotionale oder geistige Wirkung genau eine Geschichte, ein Musikstück oder ein Theaterstück beim Publikum auslöst, aber die Chancen sind hoch, dass sie den unseren gleichen. Einem Improvisierer, der sich vor dem Unbekannten fürchtet, sieht man die Furcht an, und sie erzeugt beim Zuschauer Unbehagen. Ein Spieler, der auf der Bühne Freude empfindet, überträgt dieses Gefühl auf die Zuschauer.
Natürlich ist unser Publikum keine Trivialmaschine, bei der man einen Knopf drückt, der eine entsprechende Reaktion auslöst, dafür...