Theater der Zeit

Glosse

Die Schule des Befremdens

Die Berliner Volksbühne erlebt eine Performance der besonderen Art – ihre Besetzung

von Erik Zielke und Jakob Hayner

Erschienen in: Theater der Zeit: Die rote Revolution – Russland zwischen 1917 und der Gegenwart (11/2017)

Assoziationen: Volksbühne Berlin

Die Volksbühne Berlin bricht spielerisch mit allen Gepflogenheiten des Theaterbetriebs. Nachdem die Spielzeit durch einen Tanzmarathon auf dem Tempelhofer Feld eröffnet worden war, fand nun auch die erste Aufführung im Haus am Rosa-Luxemburg-Platz statt. Über einhundert Performer hatten unter dem Titel „Staub zu Glitzer“ eine „kollektive, transmediale und mimetische Theaterinszenierung“ ausgerufen. Der Inhalt der Aufführung: die Besetzung eines Theaterhauses. So hieß es im Programmheft: „Wir nehmen das Theaterhaus in Besitz und erklären es zum Eigentum aller Menschen. Wir öffnen es und stellen es zur allgemeinen Nutzung zur Verfügung.“ Das Publikum zeigte sich vom Mitmachtheater geradezu begeistert, Hunderte strömten nach Berlin-Mitte, um an der Performance teilzunehmen. Eine neue Generation von Theatergängern lockte die Volksbühne an: jung, international, selbstbestimmt und mit einem unermüdlichen Interesse an den Vorgängen vor und hinter der Bühne. Aus Gründen des Denkmalschutzes konnten nicht alle zur selben Zeit die Foyers, den Aufführungsort, betreten. Wann hat man zuletzt in Berlin Menschenmassen vor einem Theater gesehen, die flehentlich Einlass erhofften? Die sozial gerechte Gestaltung des Eintritts (kostenfrei) dürfte auch zum großen Erfolg der Aufführung beigetragen haben. Ein besonderes Highlight: Zunächst war kein Ende der Performance festgelegt – open end.

Als besonders geschickt erwies sich auch, dass der Intendant Chris...

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