Ursprung des Dramas aus dem Gottesdienste
Quelle 1
Erschienen in: Lektionen 3: Schauspielen Theorie (12/2010)
Assoziationen: Schauspiel Theatergeschichte
Unter allen Kunsttrieben, welche dem Menschen angeboren sind, äußert sich keiner so früh und in solcher Stärke als der dramatische.
Die ersten Spiele der Kinder sind Nachahmungen, Darstellungen von Tieren und Menschen. Alle Eindrücke des jungen Lebens fordern sie zunächst zu einer mimischen Reproduktion derselben auf, und wir bemerken, daß sie sich mit einer Stärke der Einbildungskraft diesen Spielen hingeben, die zu völliger Selbstverleugnung wird, und die wir in dem Maße nicht wahrnehmen, wenn das Kind anders als unmittelbar mit seiner eignen Persönlichkeit nachbildet. Welches Kind hätte wohl nicht Soldat oder Schule, Vater, Mutter und Kind, Pferd und Kutscher, Jäger, Hund und wildes Tier usw. gespielt, und wie wenige dagegen versuchen aus eignem Antriebe mit dem Griffel oder in Lehm oder Wachs nachzubilden? – Der dramatische Kunsttrieb ist der stärkste und allgemeinste.
Auf der Kindheitsstufe des Völkerlebens treten uns dieselben Erscheinungen entgegen.
In den untergeordneten Kulturzuständen, die noch kein Bildwerk irgendeiner Art aufweisen, werden schon pantomimische Tänze und Darstellungen angetroffen, und überall, wo das gesprochene Wort recht eindringlich lebendige Vorstellungen erzeugen will, gerät es auf die Wechselrede.
Was ist nun wohl natürlicher, als daß dieser vorherrschende Darstellungstrieb im Menschen sich zum bereitesten Organe für die höchste Begeisterung anbietet, und so...