20.2 Spielregeln
Erschienen in: Improvisationstheater – Die Grundlagen (10/2018)
Eine der großen Leistungen Keith Johnstones und Viola Spolins besteht darin, Impro-Anfängern ein Set an einfachen Spielen geliefert zu haben, die es ihnen ermöglichen, mit relativ wenig Erfahrung unterhaltsame kleine Szenen zu improvisieren. Diese Spiele sind zum Teil auf absurd-komische Weise limitierend. Nehmen wir das ABC-Spiel, bei dem die Sätze der beiden Spieler jeweils mit dem folgenden Buchstaben des Alphabets beginnen müssen. Das Spiel soll die Spieler daran hindern, sich etwas besonders Schlaues auszudenken oder vorauszuplanen, somit wird dem Unterbewussten genügend Spielraum gegeben. Eine ABC-Szene wird wohl kaum Comedy-Gold hervorbringen, und doch ist sie, selbst bei Anfängern, in der Regel recht amüsant anzuschauen. Warum aber funktioniert es nur selten, wenn man dieselben Anfänger auf die Bühne stellt und sie bittet, einfach so eine freie Szene zu spielen? Neben den grundlegenden Improvisations-Fähigkeiten fehlt ihnen die Erfahrung der Form.
Der Improvisations-Philosoph Stephen Nachmanovitch spricht in seinem Buch „Free Play“ von der Kraft der Grenzen. Damit ist gemeint, dass die scheinbare Einschränkung der Möglichkeiten in Wirklichkeit die Kreativität des Künstlers anstachelt. Aber auch für den Rezipienten der Kunst ist die Einschränkung, wenngleich unbewusst, eine grundlegende ästhetische Erfahrung. Kleine Kinder freuen sich bereits über einen gereimten Zweizeiler. Und was ist ein Reim anderes...