Perspektiven prekärer Gegenwart
Dirk Laucke
von Thomas Irmer
Erschienen in: Arbeitsbuch 2020: Stück-Werk 6 – Neue deutschsprachige Dramatik im Porträt (07/2020)
Assoziationen: Akteure
Dirk Laucke gehört mit bislang dreißig uraufgeführten Stücken zu den produktivsten Autoren des deutschen Theaters der letzten 15 Jahre. Im Studiengang Szenisches Schreiben an der Berliner Universität der Künste wurden seine Anfänge von Oliver Bukowski betreut, der mit seinen Stücken der 1990er Jahre über die ostdeutschen Verlierer der Wiedervereinigung und deren sozialkritisch wie auch grotesk geschilderten Verwerfungen zunächst einen deutlichen Einfluss auf Laucke gehabt haben dürfte. Dieses Feld der sozialen Außenseiter, die sich im Grunde an durchschnittlichen Normen der Leistungsgesellschaft orientieren und dabei scheitern, ist Thema und Material der meisten seiner Stücke, in kleineren Strukturen von zerfallenen Familien, kaputten Beziehungen und deren sozial genau erfassten Milieus angelegt sowie mit deren sprachlichen Eigenheiten – auch regional beziehungsweise dialektal – charakterisiert. Laucke betont in dieser Position der sozial Ausgegrenzten die Verbindung mit anderen Minderheiten, die in seinen Stücken immer wieder eine Rolle spielen wie die der Sinti und Roma oder osteuropäischer Einwanderer.
„Wir reden von Reisefreiheit, und ich denke an Millionen osteuropäische Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter, die sich auf den Weg nach Westeuropa machen, um Erdbeeren, Tomaten und Spargel zu ernten oder in Fabriken, Baustellen und Krankenhäusern zu arbeiten. Die Narration von Reisefreiheit und internationalem Studentenaustausch vergisst einen Großteil der Bevölkerung, der weder...