Zirkus und Theater in Berlin
von Nele Hertling
Erschienen in: Zirkuskunst in Berlin um 1900 – Einblicke in eine vergessene Praxis (02/2025)
Assoziationen: Zirkus
In der Zeit des sogenannten „Postdramatischen Theaters“ etwa von den 1970er bis zu den 1990er Jahren, verlor der dramatische Text an Wichtigkeit im Theater. Andere Elemente wie der Körper, Bewegung, Musik, bestimmten weitgehend die Aufführungen. Damit rückten auch andere Spieler:innen, Gruppierungen, Ensembles wieder in den Blickpunkt. Die Zirkuskunst um 1900 hatten wir nicht erlebt, wussten nur sehr wenig darüber. Aber wir, das heißt neue Festivals, alternative Spielstätten, junge Theater suchten nach neuen Ausdrucksformen, einer Erweiterung des klassischen deutschen Repertoire Theaters. Wir interessierten uns für Formen der internationalen, oft außerhalb der traditionellen Strukturen arbeitenden freien Gruppen und Spieler:innen.
Dazu gehörten auch Aufführungen, die der Welt des Zirkus nahestanden. Allerdings nicht so sehr dem klassischen Zirkus mit der Abfolge von Nummern, sondern Aufführungen, die, oft in einem theatralischen Gesamtkonzept, auch Geschichten erzählten. Sie nutzten Mittel der Bildenden Kunst, des Tanzes, der Musik und der Literatur, wurden zu „Theater“. Diese Entwicklung hatte in den 70er Jahren in Frankreich begonnen, der „Cirque Nouveau“ wurde dort als neue Kunstform begriffen.
Jean Baptiste Thierrée gründete seinen ersten „Zirkus“ im Mai 1968, angetrieben sowohl von politischen Überzeugungen wie auch von großem künstlerischem Engagement. Mit seinem späteren „Cirque Imaginaire“ in gemeinsamen Auftritten mit Victoria Chaplin und ihren beiden...