2.1. Substantielle, absolute und relative Räume
von Sebastian Kirsch
Erschienen in: Das Reale der Perspektive – Der Barock, die Lacan’sche Psychoanalyse und das ‚Untote‘ in der Kultur (07/2013)
Wie sehen nun Positionen der Raumdiskussion im 17. Jahrhundert aus, in deren Umfeld Leibniz sein relationales Konzept formuliert? Die zwei einflussreichsten, ihrerseits gegensätzlichen Modelle, die sich mit den Namen Descartes und Newton verknüpfen, sind die vom Raum als »Substanz« und als leerem »Schachtelraum«.17 In den »Principia philosophiae« (1644) definiert Descartes Raum als unbegrenztes Kontinuum in der Ausdehnung.18 Zu diesem Verständnis kommt er im Zuge seiner strikten Trennung von »res extensa« und »res cogitans«: Der »res cogitans«, dem punktförmigen Denkinnenraum, in dem das Cogito sitzt und der ohne jede Ausdehnung erscheint, wird, als absoluter Gegensatz, die ausgedehnte Außenwelt gegenübergestellt. Die Möglichkeit des Leerraumes oder Vakuums als etwas, wo keine Substanz wäre, wird dabei verworfen (Abschnitt 16/17), die »res extensa« ist Descartes zufolge immerzu vollständig von Körpern ausgefüllt. Wo man alltagssprachlich beispielsweise von einem leeren Gefäß ausgeht, übersieht man nur, dass der Hohlraum auch dann von Materie geradezu überquillt, wenn scheinbar nichts in ihm ist (Abschnitt 18). Der ausgedehnte Raum bekommt damit Eigenschaften, die traditionell Gott vorbehalten waren – er ist unteilbar, unzerstörbar, überall – während Gott selbst in den Innenraum der »res cogitans« überführt wird. Parallel zur Substantialisierung der Außenwelt gibt Descartes den antiken Begriff des Ortes auf (Abschnitt 12/13), insofern...