Zersetzung der Zuchtzonen
von Matthias Däumer
Erschienen in: Recherchen 127: Darstellende Künste im öffentlichen Raum – Transformationen von Unorten und ästhetische Interventionen (12/2017)
Assoziationen: Roland Kaiser Angie Hiesl + Roland Kaiser
I
Abseits des Kölner Zentrums gelegen ruht eine Gärtnerei. Angrenzend an die Parkanlage des Deutzer Friedhofs (inklusive monotoner Gräberreihen), unweit der gemütlichen Schrebergärten mit ihrem Gepränge von Gartenzwergen (inklusive steil aufgerichteter Zipfelmützen) und im Schatten des Hochhauses der TÜV Rheinland AG. Drei Gebäude der Gärtnerei bilden den Parcours für die Ereignisse der Uraufführung von ID-clash, wenige Wochen vor der formal-juridischen Anerkennung des Dritten Geschlechts in Deutschland. Man sieht ein großes, gemauertes Gewächshaus, ein kleines Glashaus und ein Treibhaus mit fester Schiebetür und seitlichen Planen. Die Spielorte stehen rechtwinklig zueinander mit dem kleinen Glashaus im Schnittpunkt. Wer würde in diesem stillen Zuchtgebiet erwarten, eine kunterbunte Göttin der Transsexualität auf einem Hahn reiten zu sehen?
Die Performance beginnt im vorderen Teil des Gewächshauses. Rund hundert Zuschauer beobachten die fünf Performerinnen beim Beschildern von Blumentöpfen auf Regalwagen. Auf jedem Label steht eine Bezeichnung für nicht-binäre Geschlechtsidentitäten, Leitbegriffe der Gender-Studies, Rufnamen der queer-Kultur und LGBT-Gemeinschaft, Symbole und Schriftzüge in Bengali. Zusätzlich zum Schild wird jeder der kleinen Blumentöpfe mit einem bunten Bonbon bepflanzt: „Nimm dir ein Bonbon“, locken diese, „Nimm dir eine Festschreibung“, setzen sie scheinbar unschuldig befehlend hinzu.
Nachdem die Blumentöpfe bepflanzt sind, gehen die fünf Performerinnen zu ihren jeweiligen Spielorten,...