Der junge Mann ist spät dran. Als er das Kellergewölbe des U2, der kleinsten Spielstätte des Theaters Münster, betritt, hat die Vorstellung zwar noch nicht begonnen, aber der größte Teil des Publikums hat schon Platz genommen. Der letzte Stuhl in der zweiten Reihe ist noch frei. Also zwängt er sich, die Reihen sind schmal, an den Sitzenden vorbei. Ein paar stehen für ihn auf, andere bleiben demonstrativ sitzen. Auf den ersten Blick unterscheidet den jungen Mann nichts von den anderen Zuschauern. Seine Kleidung, schwarzes Samtcord-Jackett zu einem dünnen weißen Rollkragenpullover und einer modern geschnittenen anthrazitfarbenen Wollhose, ist zeitlos elegant, vielleicht auch ein bisschen konservativ. Doch das fällt in einer durch und durch bürgerlichen Stadt wie Münster gar nicht weiter auf. Nur seine späte Ankunft hat die Blicke der anderen auf sich gezogen. Danach ist er wieder einer von vielen, bis er plötzlich das Wort ergreift. Mit fester Stimme beginnt er, ohne dabei aufzustehen, Sätze aus Édouard Louis’ autofiktionalem Essay „Wer hat meinen Vater umgebracht“ zu sprechen. Schließlich erhebt er sich und geht auf die fast leere Bühne.
Ein symbolträchtiger Beginn. Der Mann, der in die Rolle von Édouard Louis’ Ich schlüpft, ist einer von uns. Er kommt aus der Mitte...