In den Darstellenden Künsten geht es um Kollaborationen und Netzwerke!
Netzwerke als Basis einer dynamischen Theaterlandschaft
von Sandrine Kuster
Erschienen in: Arbeitsbuch 2025: diversité suisse – landscapes des zeitgenössischen theaters (07/2025)
Assoziationen: Schweiz

Am Beginn einer Theaterproduktion steht meistens die Arbeit einer Regieperson, eine Besetzung zu machen und ein Team aus Bühnenbildner:inn, Autor:in und anderen zur Kollaboration zusammenzuführen. Diese projektbezogenen oder festen Gruppen arbeiten mit einem Theater zusammen, das sie während des gesamten kreativen Prozesses begleitet und die fertige Produktion schließlich dem Publikum präsentiert.
Auf einer anderen Ebene schließen sich einige Institutionen mit anderen Theatern oder Festivals zusammen, um Tourneen zu organisieren, oder ein vernünftiges Budget für aufwändigere Produktionen zusammenzubekommen, zum Beispiel mit Hilfe von Koproduktionen (bei denen Geld in die Produktion fließt). Über eine einfache Zusammenarbeit zwischen zwei Theatern hinaus kann ein Netzwerk entstehen, das mehrere Einrichtungen verbindet, um gemeinsam eine programmatische Ausrichtung zu entwickeln und deren Verbreitung in einer bestimmten Region zu fördern.
Wie und warum entstehen solche Netzwerke zwischen Institutionen? Welche Vorteile bietet die Vernetzung?
Im Bereich der Darstellenden Künste bildeten sich Netzwerke bereits seit dem verstärkten Aufkommen von Festivals und unabhängigen Compagnien Ende der 1970er Jahre, also lange vor dem Aufkommen des Internets und der digitalen Kommunikation.
Ich erinnere mich, dass ich Anfang der 2000er Jahre zu zwei Workshops zum Thema „Vernetzung auf europäischer Ebene“ eingeladen wurde, einer Weiterbildung, die von Pro Helvetia organisiert und begleitet wurde. Wir waren etwa zehn Kurator:innen aus Europa und der Schweiz und trafen uns zunächst für eine Woche in Riga (Lettland) und anschließend für eine weitere in Brüssel, immer parallel zu den in diesen Hauptstädten stattfindenden Festivals, so konnten wir unseren Aufenthalt gut nutzen, und auch noch Aufführungen besuchen.
Diese Weiterbildung hatte zum Ziel, das kulturelle und politische Umfeld unserer europäischen Kolleg:innen besser zu verstehen und ein oder mehrere Austauschnetzwerke zwischen unseren Ländern aufzubauen. Es ging darum, künstlerische Szenen zu entdecken, mit den dort ansässigen Institutionen und Theaterschulen in Kontakt zu kommen sowie die Stärken und Schwächen einer Kulturpolitik zu analysieren und vor allem zahlreiche Begegnungs- und Kooperationsmöglichkeiten für zukünftige Projekte auszuloten. Kurz gesagt: eine einmalige Gelegenheit, die kulturellen Szenen verschiedener Länder kennenzulernen, ohne dort längere Zeit verbringen zu müssen, weil man von der Expertise und Erfahrung der Teilnehmer:innen profitieren konnte.
Diese Art von Austausch ist für die künstlerische Vielfalt von entscheidender Bedeutung. Im Theater muss man Künstler:innen entdecken, damit das Publikum sie entdecken kann, man Interesse und anhaltende Neugier beim Publikum erzeugen. Es ist enorm wichtig, das Publikum zu binden, denn ohne Publikum ist unsere Arbeit letztendlich wirkungslos.
Jedes Netzwerk verfolgt eine bestimmte künstlerische Linie. Kurator:innen kommen zusammen, weil sie gemeinsame Interessen, ästhetische Vorlieben, ähnliche programmatische Ausrichtungen oder Herausforderungen in ihrer Region haben. Diese Komplizenschaften sind fundamental und die primäre Antriebskraft eines Netzwerks. Es erfordert Lust, Begeisterung und Vertrauen, gemeinsam zu arbeiten und ein Stück zu programmieren, ohne es vorher gesehen zu haben oder die Arbeitsweise einer Compagnie genau zu kennen. Nur weil es einem der Partner gelungen ist, die Qualität eines erst entstehenden künstlerischen Projekts aufzuzeigen und die Gruppe davon zu überzeugen, es gemeinsam zu begleiten.
Die Größe eines Netzwerks kann stark variieren – von vier Institutionen in einer einzigen Stadt bis hin zu 400 Institutionen auf europäischer Ebene, wie zum Beispiel beim International European Theater Meeting (IETM). Auch die inhaltlichen Schwerpunkte können sehr unterschiedlich sein, so widmen sich manche Netzwerke etwa dem Kinder- und Jugendtheater, dem Zirkus, dem zeitgenössischen Tanz, dem Nachwuchs, bestimmten Typen von Bühnen, einer Sprachregion, einem bestimmten Gebiet oder einem Kontinent. Es gibt so viele Netzwerke, wie es Aufgaben und Zielsetzungen gibt, auf die sie ausgerichtet sind.
Zusätzlich zu den Tourneemöglichkeiten und der steigenden Zahl von Ko-Produzenten stellen einige Netzwerke spezielle Mittel für ihre Tätigkeit bereit, um Reisekosten zu decken und so den Kreis der Unterstützer:innen für Produktionen zu vergrößern. Sie entstehen auch durch Projektausschreibungen, die konkrete Förderkriterien beinhalten und von der kommunalen Kulturpolitik oder einer Stiftung ausgeschrieben wurden. Die Diffusion von Stücken ist für Förderinstitutionen schon lange ein Ziel und eine Garantie für künstlerische Qualität.
Wie wird ein Stück „nachhaltig“ und „rentabel“?
Die Entwicklung eines Stückes kann sehr kostspielig sein – entsprechend der Probendauer, der Anzahl der Darsteller:innen auf der Bühne, des Bühnenbilds usw. Ganz gleich, ob das Stück einmal oder 100-mal gespielt wird, zum Zeitpunkt seiner „Geburt“ muss es fertig sein. Und genau hier stellt sich die Frage nach der „Nachhaltigkeit“ und „Rentabilität“ eines Stückes.
Das Verhältnis zwischen „Bühnenkosten“ und „Zuschauerzahl“ muss ausgewogen sein. In diesem Sinne sollte ein Stück entweder über längere Zeit im Repertoire eines Hauses bleiben, also regelmäßig über mehrere Spielzeiten hinweg wiederaufgenommen werden, oder auf Tournee gehen. Glücklicherweise schließt das eine das andere nicht aus und einige Theater trauen sich, ein Werk mehrere Wochen auf den Spielplan zu setzen, damit es reifen und gleichzeitig ein Publikum binden kann.
Doch für eine Tournee ist nichts hilfreicher als ein Netzwerk. Es ermöglicht, die Reisekosten zwischen den Städten aufzuteilen, Verträge zugunsten der Künstler:innen zu verbessern, und bietet der Öffentlichkeit sowie dem Fachpublikum mehr Möglichkeiten, die Stücke zu sehen. Darüber hinaus können im aktuellen Kontext, in dem die Reduzierung von CO2-Emissionen erforderlich ist, durch die Koordinierung der Tourneen die Transportkosten gesenkt werden. Daher gibt es Stücke, die innerhalb einer Saison in fünf oder sechs Theatern oder auf Festivals laufen.
Für die Künstler:innen ist das ein großer Vorteil: Wer mit seinem Projekt Teil solcher Netzwerke ist, gewinnt im Laufe der Tournee an Bekanntheit, und verfügt dank der Beiträge der Ko-Produzenten über ein größeres Budget. Die programmierten Projekte erhalten gewissermaßen ein Gütesiegel und bekommen mehr Aufmerksamkeit.
Wo liegen die Grenzen solcher Netzwerke?
Die Dynamik eines Netzwerks beruht oft auf der Initiative einzelner Persönlichkeiten, etwa der Leiter:innen der beteiligten Institutionen. Sie verkörpern eine Linie, einen Schatz an Wissen und künstlerischer Erfahrung, eine programmatische Aura, die in einem bestimmten Umfeld operiert, das so den Anstoß zur Netzwerkbildung geben kann. Daher sind diese Netzwerke oft nicht von Dauer. Denn kommt es innerhalb der Mitglieder zu einem Leitungswechsel, kommt es in der Regel auch zu einer Änderung der künstlerischen Ausrichtung, was das Netzwerk destabilisieren und gegebenenfalls sogar zu seinem Ende führen kann.
Wie bereits erwähnt, profitieren einige Netzwerke von finanzieller Förderung. Diese Unterstützung kann nach einigen Pilotphasen auslaufen oder durch Änderungen in der örtlichen Kulturpolitik enden.
Die Dauer eines Netzwerks hängt auch davon ab, ob dessen Mitglieder es schaffen, sich regelmäßig zu treffen, sowie von seiner organisatorischen oder künstlerischen Agilität. Es braucht frische Ideen und den Wunsch zur Zusammenarbeit, ansonsten zerfällt das Netzwerk und verliert seine anfängliche Dynamik.
Für uns Kurator:innen kann die starke Präsenz bestimmter Stücke unsere Akquisearbeit erleichtern, da sich vielfältige Gelegenheiten ergeben, Stücke anzusehen. Umgekehrt könnte uns der daraus resultierende Mangel an Programmvielfalt dazu veranlassen, anderswo hinzuschauen, mit einem Wunsch nach Unbekanntem.
Für das Publikum ist das weniger problematisch, da es in der Regel nicht von Stadt zu Stadt reist, vielmehr freut es sich, ein anerkanntes, qualitativ hochwertiges Stück zu sehen, getragen von mehreren Ko-Produzenten.
Wie funktioniert in der Schweiz die Vernetzung über Sprachgrenzen hinweg?
Die Vernetzung zwischen den Schweizer Sprachregionen bleibt weiterhin ein Schwerpunkt und Förderkriterium, insbesondere für Pro Helvetia, welches die Kosten für Übertitelung und Reise übernimmt. Abgesehen von einigen großen Namen, wie Christoph Marthaler, Milo Rau oder Thom Luz, überwinden dennoch nur wenige Theaterschaffende die Sprachgrenzen. Warum besteht da so viel Zurückhaltung seitens des Publikums und der Kurator:innen? Hemmen die Sprachbarriere, die kulturellen Unterschiede sowie die unterschiedlichen Geschmäcker den Appetit? Wird unsere Neugier eher von Exotischem geweckt – von Stücken auf Spanisch, Japanisch, Ukrainisch oder Arabisch, die großen Erfolg haben?
Initiativen wie das Schweizer Theatertreffen stellen das Entdecken und den Austausch zwischen den Regionen in den Mittelpunkt ihrer Mission und mit jeder Ausgabe werden bestehende Hürden weiter abgebaut. Auch wenn diese Tage für mich in erster Linie das Schweizer Theater in seiner ganzen Vielfalt feiern, führen sie doch zunehmend zu Kooperationen zwischen den Regionen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es unmöglich ist, Allianzen zwischen Institutionen generell zu verurteilen oder sie in den Himmel zu loben. Netzwerke sind im Bereich der Darstellenden Künste längst eine Selbstverständlichkeit. Sie sind essenziell für den Abbau von Hindernissen, für die Entdeckung und Unterstützung von Künstler:innen und das Kennenlernen neuer Arbeitsweisen, doch sie müssen regelmäßig hinterfragt, beobachtet und analysiert und auf ihre Nützlichkeit überprüft werden.
Und sie sind nicht das einzige Mittel, eines Hauses um das Programm auszuarbeiten und es zum Erfolg zu führen. Aber sie ergänzen sie die kontinuierliche Begleitung von Künstler:innen und die enge Beziehung zu einem lokalen Publikum.
Aus dem Französischen von Mira Lina Simon