Reale Utopien
von Kübra Gümüşay
Erschienen in: Zeitgenoss*in Gorki – Zwischenrufe (03/2023)
Wie lebt es sich in einer gerechteren Welt? Einer, in der Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Klassismus und andere Formen von Unterdrückung Vergangenheit sind? Ich weiß es nicht, doch ich habe eine Ahnung davon, wie wir dahin kommen können. Durch Orte, an denen Menschen den Mut aufweisen, es anders zu machen als bisher. Durch die nahezu dreiste Kühnheit, sich Ideale nicht nur auf die Fahne zu schreiben, sondern sie auch zu erproben. Zu scheitern. Zu lernen. Zu spielen. Zu erfühlen. Zu ertasten. Wege zu bahnen hinein in eine Welt, die erstrebenswert ist. Lebenswerter als die gegenwärtige. Kühn und mutig, das ist das postmigrantische Theater. Das sind die Menschen am Gorki Theater.
Denn wenn soziale und politische Gerechtigkeit tatsächlich unsere Zukunft werden soll, „dann wird sie durch das bewusste Handeln von Menschen herbeizuführen sein, die gemeinsam agieren, um sie zu verwirklichen“, schreibt der Soziologe Erik Olin Wright in seinem Buch Reale Utopien. Wege aus dem Kapitalismus. Wenn wir uns von dem Gedanken lösen, Ideale müssten überall und auf einmal realisiert werden, können wir uns die Freiheit schaffen, jetzt schon Räume zu öffnen, in denen wir Utopien, so gut es geht, ausprobieren. Wohl wissend, dass dieses Ausprobieren nur bedingt gelingen kann. Wright nennt diese...