Unter der schönen Überschrift „Die Süddeutsche Zeitung hat den Blues“ schrieb der Dramaturg Carl Hegemann einmal einen Text für Theater der Zeit (TdZ 02/2007), in dem er einen Aufschlag des damaligen SZ-Feuilletonchefs Thomas Steinfeld abwehrte. Zwischen Dramaturgen und Kritikern herrscht ja eine natürliche Rivalität: Dramaturginnen stecken in der Regel viel tiefer in der Materie, Kritikerinnen jedoch behalten fast immer das letzte Wort. Das ist ungerecht. Als ungerecht empfand Hegemann nun also den Umstand, dass Steinfeld quasi ex cathedra feststellte, „avancierte Theatermacher“ neigten zu dem Irrglauben, ein schreiender Laie auf der Bühne sei „wahrer“ als eine schauspielernde Schauspielerin.
Diese Sottise muss Hegemann auf die Palme gebracht haben. In seinem Text bemerkt er: Entscheidend für die Form sei allein die „Spannung“ zwischen der Rollenfigur und der Person des Darstellers. Nun hätte Steinfeld eine solche These überhaupt nicht bestritten. Im Gegenteil: Versteht man Steinfeld richtig, will er genau auf diese Spannung hinaus; was den Kritiker irritiert, ist die sich am Horizont abzeichnende Tendenz, die authentische Person für „wahrer“ zu halten als die professionell-imaginierende. Dass Steinfeld in diesem Kontext René Pollesch erwähnt (der wohlweislich nicht mit Laien arbeitet, sondern mit den besten Schauspielern, die er kriegen kann), ist zwar ein wenig irreführend; wenn aber...