Theater der Zeit

Andreas nimmt Abschied vom Leben

Der aidskranke Andreas M.

von Raimund Hoghe

Erschienen in: Recherchen 150: Wenn keiner singt, ist es still – Porträts, Rezensionen und andere Texte (1979 - 2019) (09/2019)

Assoziationen: Akteur:innen

Dezember 1985. Ein Abschied. Andreas sagt: „Ich denk’ einfach: Ich schaff’s. Fertig.“ Wenig später, nach einem gerade überstandenen neuen Krankheitsschub, fliegt der 22-Jährige nach Amerika, zu einem Freund nach New York. „New York war kalt.“ Er erfüllt sich einen Traum. Mit einem Leihwagen fährt der Aidskranke, dem die Ärzte nur noch wenige Wochen Leben gaben, quer durch die USA. Ziel: Kalifornien, San Francisco. Die Rechnung der Mietwagenfirma ist das letzte Lebenszeichen von Andreas, das in Deutschland ankommt.

Herbst 1990. Ein Anruf. Ob ich mich noch an ihn erinnere? Andreas. Er sei zurück aus Amerika. Während er vom Leben in San Francisco und Los Angeles erzählt, vom Überleben spricht und vom Sterben, mache ich mir Notizen. „Ich war gelähmt. Ich konnte nicht mehr sprechen. War eine Woche im Koma. ‚Der hat noch ein, zwei Wochen‘, hat man gemeint.“ Gelebt habe er unter anderem in einem der Hospize für Aidskranke. Die Mitbewohner im 2-Bett-Zimmer wechselten häufig. „Wenn einer verstorben war, kam der Nächste – und immer der Gedanke: Das könnte ich sein.“ Dass er gegen alle Prognosen überlebte – auch darüber würde er gern mit mir sprechen und sagen: „Hey, ihr andern, es ist möglich.“ Zurückgekommen nach Deutschland sei er aus Heimweh....

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