Sie ist eine Magierin“, sagt Johan Simons im Nachgespräch zum Live-Stream seiner Inszenierung von Elias Canettis „Die Befristeten“ – und meint damit Jing Xiang. Wer die 1993 in Berlin geborene Schauspielerin auch nur ein einziges Mal in Bochum im Schauspielhaus oder auch auf der kleinen Freilichtbühne im Innenhof der Privatbrauerei Moritz Fiege erlebt hat, weiß sofort, was Simons meint.
Jing Xiangs Auftritte haben tatsächlich etwas Zauberisches. Unabhängig vom Geschehen um sie herum zieht sie sofort alle Blicke auf sich. Manchmal, wie in Herbert Fritschs überaus eigenwilliger Annäherung an Marquis de Sades „Philosophie im Boudoir“, traut man dabei sogar seinen eigenen Augen nicht. In dieser Inszenierung gab es einen Moment, in dem es einem schien, als schwebe sie über dem Boden. Sie trug eine Art Monstranz auf dem Kopf und strahlte etwas Übernatürliches aus: eine Heilige der Ausschweifungen.
Angefangen hat alles in Jing Xiangs Heimatstadt Berlin, zunächst im Rahmen des Ballett-Projekts „Kinder tanzen für Kinder“ der Deutschen Oper. 2009 hat sie begonnen, an der Academy, der Bühnenkunstschule für Jugendliche in Kreuzberg, Schauspielunterricht zu nehmen. Nach drei Jahren ging sie 2013 nach Rostock und schloss an der dortigen Hochschule für Musik und Theater 2017 ihr Schauspielstudium ab. In dieser Zeit sammelte sie...