Schon der Auftritt der Schauspieler – im dröhnenden Gleichschritt – gleicht eher einem Einmarsch. Doch den Stückbeginn markiert dann eine gänzlich zivile, private, ja harmlose Szene: Zwei Studentenfreunde sitzen, nein, fläzen auf dem Sofa ihrer möblierten Bude herum und büffeln für die Prüfung im Fach Nationalökonomie. Irgendwie sehen sie aus wie Jungakademiker vor etwa 100 Jahren. Und reden auch ein wenig gestrig daher. Offenbar schreiben wir das Jahr 1919, und die beiden Kommilitonen, die sich da gegenseitig über „Bilanz- kunde“ und „Geldverteilungskonten“ abhören, sind Hauptfiguren des Bühnenstücks „Schlageter“, geschrieben vom NS-Dramatiker Hanns Johst, uraufgeführt 1933. Der aus Schönau im Schwarzwald stammende Albert Leo Schlageter, ein militanter Aktivist, den ein französisches Militärgericht wegen mehrerer Sprengstoffanschläge 1923 hinrichten ließ, galt aus NS-Sicht als gefeierter Märtyrer. Später zeigt sich, dass diese Bühne, auf der eben noch Schlageter und seine Freunde agierten, gleichzeitig die Zwickauer Frühlingsstraße abbildet, jene konspirative Wohnung, in der sich Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt aufhielten.
Die Beschäftigung mit dem NSU ist bühnenreif geworden. Zu viel Ehre? Die Gefahren – zwischen Einfühlen und Ausstellen – sind offensichtlich. Nach Braunschweig („Unter drei“) und Frankfurt am Main („Der weiße Wolf“) hat nun auch Karlsruhe ein Stück zur Thematik herausgebracht, das sich im Titel eher...