Neue Schönheit braucht das Land
Über alternde Frauen(bilder) auf und vor deutschen Bühnen
von Dorothea Marcus
Erschienen in: Recherchen 162: WAR SCHÖN. KANN WEG … – Alter(n) in der Darstellenden Kunst (11/2022)
Ich bin Theaterkritikerin, 52 Jahre alt, und darf an dieser Stelle einen Text über das Altern auf der Bühne schreiben, aus der Sicht von Theaterkritikerinnen. Das Thema hat für mich zwei Aspekte: Der eine ist die Frage, was ich für Bilder älterer Frauen auf der Bühne sehe, in meinem Beruf, der mich ein- bis dreimal in der Woche ins Theater führt. Der andere Aspekt ist: Wie altern eigentlich Kritikerinnen in ihrem Beruf? Immerhin sind wir auch ein Bestandteil der Medienlandschaft, der journalistischen Öffentlichkeit. In ihrem niederschmetternden Buch Mutprobe hat die Journalistin und ehemalige taz-Chefredakteurin Bascha Mika im Jahr 2014 beschrieben, wie Frauen ab fünfzig in den Medien systematisch unsichtbar gemacht werden, gebeten werden, sich »jünger« zu operieren, zu gehen, gekündigt werden – oder freiwillig hinter den Kulissen verschwinden.1 Ist das acht Jahre später, in den Zeiten von stolzen über fünfzigjährigen Großmoderatorinnen wie Maybritt Illner, Sandra Maischberger, Marietta Slomka und Anne Will immer noch so? Und gilt das auch für Journalistinnen, die nicht ganz so bekannt sind?
Doch zunächst zum ersten Punkt. Wenn ich auf der Bühne nämlich noch eine weitere junge Frau mit blonder Langhaarperücke, Glitzerjacke, Hot Pants und Plateaupumps sehe, das Abziehbild einer Sexarbeiterin, muss ich schreien....