Magazin
Schichtwechsel
„This is not Detroit“ von Schauspielhaus und Urbane Künste Ruhr fragt, wie es ohne Opel in Bochum weitergehen wird
von Martin Krumbholz
Erschienen in: Theater der Zeit: Blackfacing (10/2014)
So grandios hat es sich niemand vorgestellt. Es war ja eine ebenso kühne wie phantastische Idee: die Sequenzen, die Rhythmen, die Geräusche einer Arbeitsschicht im Bochumer Opelwerk in einem achtstündigen Konzert „darzustellen“ – gewissermaßen abzubilden und zu überhöhen. Im Dezember dieses Jahres wird das Werk endgültig schließen; 3200 Beschäftigte sind davon betroffen. 320 (Laien-)Musiker aus Bochum spielten einen Arbeitstag lang, von 15 bis 23 Uhr, auf der Bühne und im Foyer des Schauspielhauses das Werk, das der amerikanische, in Berlin lebende Klanginstallateur und Komponist Ari Benjamin Meyers geschaffen hat, Titel: „Just in time, just in sequence“ – in Anspielung auf den Produktionsmodus in einer Autofabrik. Anders als ein langer Werksarbeitstag, der vermutlich vor allem in Erschöpfung mündet, hatten am Ende dieses Tages die Beteiligten sich nicht nur verausgabt, sondern sich in eine Euphorie gesteigert, die sich auf die Zuhörer physisch übertrug. In den letzten fünf Minuten schwiegen die Trommeln, die Gitarren, nur noch der A-cappella-Gesang des Chores, vom Komponisten dirigiert, war zu hören. Dann, Punkt 23 Uhr, ertönte eine Sirene, auf dem Screen erschien das Wort „Feierabend“. Stille – und frenetischer Jubel. Es war ein unvergesslicher Augenblick – man müsste in diesem Fall vielleicht ein eigenes Wort erfinden: ein Ohrenrausch...