In den Durchgängen und Zwischenräumen hausen die Ungeheuer. „Die Arbeit über die Passagen setzt ein immer rätselhafteres, eindringlicheres Gesicht auf und heult nach Art einer kleinen Bestie in meine Nächte, wenn ich sie tagsüber nicht an den entlegensten Quellen getränkt habe“, notierte Walter Benjamin 1928, über seinem „Passagen-Werk“ brütend. „Weiß Gott, was sie anrichtet, wenn ich sie eines Tages frei lasse.“ Benjamin und Dostojewski teilen die Vermutung, dass in den Passagen als Hort der kapitalistischen Blüte des 19. Jahrhunderts ein Ungetüm lauert, dem es auf die Spur zu kommen gilt. Der Regisseur Christian Franke versucht sich in seiner zweiten Inszenierung am Theaterhaus Jena an einer Aktualisierung von Dostojewskis Text über die Abgründe des Fortschritts. Die wenig bekannte und unvollendet gebliebene satirische Erzählung „Das Krokodil“ kann als Kritik der Modernisierungsmaßnahmen der frühen 1860er Jahre unter Zar Alexander II. gelesen werden, die dem Zarenreich die goldenen Früchte der westlichen Industrialisierung bescheren sollten.
Der Mittelpunkt der Handlung ist der Beamte Iwan, welcher kurz vor einer Erkundungsreise nach Europa steht. Mit seiner Frau Jelena und dem gemeinsamen Freund Semjon Semjonowitsch steht zuvor noch ein Besuch bei einer Tierschau in der Passage am Newski-Prospekt an, um ein Krokodil zu bestaunen. Kurzerhand wird Iwan vom Ungetüm...