Was fällt einem ein, wenn man an Sprechchöre auf der Bühne denkt? Altgriechische Tragödien, expressionistische Dramen, Agitprop-Theater à la Blaue Blusen und natürlich die Inszenierungen von Einar Schleef. Marta Górnickas Arbeiten haben etwas von alledem: das Volk als Chor, die Lösung des Problems, der Kommentar des Autors, aber sie sind ganz anders.
Schon dass eine Frau einen großen Theaterchor leitet, ist ungewöhnlich – und sie tut es denn auch anders als die Männer, mit weichen, fließenden Gesten, eloquenter Rasanz und lustvoller Hingabe an Sprache und Rhythmus. Durch sie und mit ihr schwankt eine weitere männliche Festung im Kulturbetrieb: nach der des Orchesterdirigenten nun auch die des Chorleiters. Aber Górnicka ist auch Regisseurin, Sängerin und Autorin, und eben die Erfinderin einer ganz neuen Theaterform: des Chors als Gesamtkunstwerk.
Marta Górnicka studierte Theater und Gesang in Warschau und Krakau und hatte ein Ziel, das ihr Angst einflößte. „Die Idee, den Chor zum Protagonisten zu machen, hatte ich schon sehr früh“, erzählt sie. „Ich glaubte an seine Kraft und seine Emotionalität, aber ich war noch jung und traute mich nicht so recht, darüber zu sprechen. Dann begegnete ich Maciej Nowak vom Polnischen Theaterinstitut, und er ermutigte mich immer wieder, meine Ideen auszuprobieren. Schließlich...