Theater der Zeit

Vorwort

von Barbara Engelhardt, Therese Hörnigk und Bettina Masuch

Erschienen in: Recherchen 5: TheaterFrauenTheater (01/2001)

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»Die Männer sind Theater / Frauen machen Theater / das ist die Schwierigkeit«. So einfach kompliziert scheint das mit den Frauen, zumindest in Thomas Bernhards THEATERMACHER. Aber wie steht es um Theater-Frauen, die tatsächlich Theater machen? Bis heute ist das Theater von einer ausgesprochen hierarchischen und immer noch patriarchalischen Entscheidungsstruktur geprägt. Frauen haben in historisch gesehen kurzer Zeit zwar wichtige Aufgaben in den Theatergroßbetrieben übernommen, beliebt sind sie aber vor allem als »Kommunikationstalente« in Dramaturgie oder Öffentlichkeitsarbeit. bric Gleichzeitig stellen sich heute - häufiger denn je - auch Regisseurinnen und Dramatikerinnen mit wichtigen Arbeiten dem Theaterpublikum. Unbestritten ist auch, dass ohne Schauspielerinnen, Tänzerinnen oder Sängerinnen die meisten Bühnenereignisse, ob in institutionellen oder alternativen Arbeitszusammenhängen, undenkbar wären. Aber machen diese Theaterfrauen deshalb auch Frauentheater? Viele der international bedeutenden Künstlerinnen stehen immer wieder vor der Frage, wie ihre im Arbeitsalltag erfahrene Weiblichkeit und ein spezifisches Rollenverhalten aller am Produktionsprozess Beteiligten in ihre künstlerische Arbeit hineinwirken. Dabei ist zu konstatieren, dass vorrangig jüngere Theaterwissenschaftlerinnen, Regisseurinnen, Dramaturginnen und Schauspielerinnen im Zeitalter der Gender-Diskurse mit einer tradierten Zuschreibung wie »typisch weiblich« ausgesprochen auf Kriegsfuß stehen. Biologisch definierte Geschlechtsunterschiede werden als irrelevant abgelehnt. Statt dessen wird die Identität von Mann oder Frau als sozial konstruiert definiert, frei wählbar ohne Rücksicht auf körperliche Autonomie. Aber sind damit geschlechterspezifisch geprägte Wahrnehmungen in der Theaterpraxis obsolet geworden? Sind Sprache, soziales Rollenverhalten oder kanonisierte Hierarchien in den Institutionen und die Chancen von Frauen im heutigen Theaterbetrieb kein Diskussionsgegenstand mehr?

»Man muss so tun, als sei ›das mit der Frau kein Problem, sonst kann es eins werden«, konstatierte Brigitte Landes zur Eröffnung einer Diskussionsreihe mit dem Titel TheATER-FRAUENTHEATER. Im November 1999 trafen sich im Literaturforum im Brecht-Haus Dramatikerinnen, Wissenschaftlerinnen und Kritikerinnen sowie Theaterpraktikerinnen aus den Bereichen Schauspiel, Dramaturgie, Regie und Intendanz, die mit einander und mit dem Publikum über den Stand der Theater-Frauen-Arbeit reflektierten. Die in Diskussionsrunden vorgetragenen, facettenreichen Standortbestimmungen und Texte bilden im vorliegenden Band die Grundlage verschiedenartigster Perspektiven auf das Theater. Dieser Band versammelt Berichte und essayistische Beiträge, Anekdoten und Analysen von und über Theatermacherinnen, die in unterschiedlichsten Genres das Thema auffächern: Betont wird die Pluralität vielfältiger Arbeitsweisen und Lebensformen, die einer schlichten Subsumierung aller unter der geschlechtsspezifischen Kategorie »Frau« widerspricht und bewusst das kulturell hergeleitete Bild von Weiblichkeit (im Theater) hinterfragt. Ob als Erfahrung im Arbeitsprozess beschrieben, im Selbstverständnis des künstlerischen Ansatzes verdeutlicht oder vor dem Hintergrund soziologischer und historischer Gegebenheiten analysiert - dieser Band versucht in erster Linie, die Vielfalt sozialer und kultureller Identitäten von Theatermacherinnen verschiedener Generationen und Theaterstile auch unter dem Aspekt des Weiblichen zu spiegeln. In Gesprächen und Aufsätzen werden die Absichten und Möglichkeiten von Frauen im gegenwärtigen Theater dargestellt, literarisch, konzeptionell und praktisch-handwerklich nach ihren eigenen Vorstellungen zu arbeiten. Auf der Basis der Erfahrungen unterschiedlicher Generationen von Theater-Frauen, im Rückblick auf die Situation der Vorgängerinnen und im Seitenblick auf die Arbeitsbedingungen in anderen Ländern wurde darüber hinaus ein Zukunftsraum von und für Frauen auf dem Theater skizziert.

Eine Auswahl von Bilanzierungsversuchen, dokumentiert in einer Braunschweiger Veranstaltung mit dem Titel WHO WANTS TO BE A WOMAN TOMORROW? FEMALE CONFIGURATIONS IN THE PERFORMING ARTS OF TODAY vom Juli 2000, ergänzt die Palette vorgestellter Diskurse. Der Diskussionsrahmen wird durch die Aufnahme von Analysen vom verweigerten Status von Frauen in der kulturellen symbolischen Ordnung, die Präsentation theaterexperimenteller Texte, die Erörterung von Positionen der Theaterfrauen in einer Medien bestimmten, globalisierten Welt erweitert. Die Beiträge der Künstlerinnen reflektieren individuelle Theater-Konzepte, die neue ebenso wie unbeantwortete alte Fragen nach spezifischen Denk- und Erfahrungsräumen, nach Körperlichkeit und sozialer Identität aufgreifen, und für eine der »sinnlichsten« Künste produktiv zu machen suchen: für das Theater.

Barbara Engelhardt, Therese Hörnigk
Berlin, den 18.12.2000

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