Essay
„Hölderlin: Die hinhörende Verfahrensart“
Heiner Müller zu seinem 30. Todestag
von Wolfgang Storch
Erschienen in: Theater der Zeit: Tilda Swinton – Zwischen Bühne und Film (12/2025)
Assoziationen: Deutsches Theater (Berlin)
Viel hat von Morgen an,
Seit ein Gespräch wir sind und hören voneinander,
Erfahren der Mensch; bald sind wir aber Gesang.
Hölderlin, Friedensfeier
1
Ein Raum der Stimmen,
sein Theater als Kind
„Warum haben Sie sich entschieden, fürs Theater zu schreiben und nicht zum Beispiel Lyrik?“, fragte Flavia Foradini 1988 Heiner Müller. „Das war keine Entscheidung. Die erste Erklärung dafür ist vielleicht, dass ich als Kind wenig Spielgefährten hatte. Ich war oft allein, und so dachte ich mir eben Leute aus, mit denen ich sprechen konnte.“ (W 11, 334)
Er gehörte zu den 1929 Geborenen, gewollt, erhofft, gezeugt, als sich die wirtschaftliche Situation nach dem Einbruch der Weltwirtschaftskrise stabilisiert hatte; auf die Welt gekommen, als sich seit dem Herbst die Eltern der Weltwirtschaftskrise, deren Folgen, der sich ausbreitenden Massenarbeitslosigkeit ausgesetzt, durch die sich steigernden Klassenkämpfe herausgefordert sahen, daran teilzunehmen, gespalten auf welcher Seite oder nicht. Vor dem nahen Ende der Weltwirtschaftskrise gewann die von Teilen der Industrie unterstützte NSDAP die Reichstagswahl. Die Uniformierung der Gesellschaft begann mit einer ersten Welle von Verhaftungen. Das Reden wurde blockiert, der Sprache die Freiheit genommen. Der nächste Krieg wurde vorbereitet und ausgelöst, als das dafür bereitgestellte Geld ausgegeben war.
Um Chemnitz, Deutschlands zweitgrößtem Industriegebiet,...















