Phänomenal, genial, radikal – so könnte man die von Charles Gounods Oper „Faust (Margarete)“ ausgehende Cross-over-Inszenierung der Erlösungsgeschichte des um Liebe und Wissen ringenden Wissenschaftlers am Theater und Orchester Heidelberg beschreiben. Angereichert mit Texten etwa von Schopenhauer und Schiller sowie insbesondere Elfriede Jelineks galligem Sekundärdrama „FaustIn and out“, erweist sich die Aufführung als spartenübergreifender Denkraum, der vor allem ein Thema des Stoffs herausarbeitet, jenes der Geschlechterrollen.
Zu Beginn sehen wir eine junge Frau auf einer untergitterten Bühne, die, wie sich herausstellt, die Tochter und zugleich das Opfer des bekannten Sexualtäters Josef Fritzl darstellt (Magdalena Neuhaus). Während sie die so sprachgewaltigen wie scharfzüngigen Jelinek-Suaden über eine misogyne Gesellschaft vorträgt, wird diese triste Wirklichkeit immer wieder durch die bewusst romantisiert dargebotenen Episoden aus der Oper (musikalische Leitung Elias Grandy) gebrochen. Daher strotzt diese kurzweilige Realisierung nur so vor Ironie. Unter vielen Anspielungen aus der Popkultur – von „Germany’s Next Topmodel“ über „Der Bachelor“ bis hin zu „Terminator“ –, die allesamt das bereits im Faust-Stoff gezeigte Patriarchat weiterthematisieren, findet sich auch eine hinreißend komische Szene aus „Die Schöne und das Biest“. Unversehens wird die Bühne umgebaut, und die Statisterie erscheint als Gabeln und Messer. Hinzu kommen die in Disney-Kostümen auftretende Belle und ihr...