Report
Jetzt ist alles politisch
Ein Showcase in Tbilisi erzählt von der Zerrissenheit Georgiens
Erschienen in: Theater der Zeit: Kinder- und Jugendtheater – Yair Sherman: Theater und Israel (12/2023)
Assoziationen: Europa Dossier: Georgien

Das größte Drama in Georgien spielt sich derzeit wohl auf der politischen Bühne ab. Die Kaukasus-Republik bezeichnet sich gern als „Balkon Europas“. Seit langem bemüht sich das Land daher um den Status eines EU-Beitrittskandidaten. Derzeit allerdings hat man – angesichts des zunehmend russlandfreundlichen Kurses der Regierung – eher den Eindruck, Georgien rücke wieder weiter weg von Europa. Diese Entwicklung war auch bestimmendes Thema beim Tbilisi International Festival of Theatre, das im Herbst in der georgischen Hauptstadt stattfand.
Das machte auch Theaterregisseur Data Tavadze bei seiner Eröffnungsrede des Georgian Showcase deutlich, in dem sich die Theaterszene des Landes ausländischen Gästen präsentierte. „Georgiens Kultur ist in Gefahr!“, so Tavadze, der auch einem deutschen Publikum dank Gastinszenierungen unter anderem in Berlin und Frankfurt am Main bekannt ist. Die mit Russland sympathisierende Regierung Georgiens strebt nicht nur ein Amtsenthebungsverfahren gegen die eigene, weiterhin EU-freundliche Staatspräsidentin an. Auch unliebsame Museumschefs, Theaterintendanten und andere Kunstschaffende in leitenden Positionen wichtiger Kultureinrichtungen wurden zuletzt reihenweise durch linientreue Funktionäre ersetzt.
Das Theaterfestival von Tbilisi selbst ist dem ideologischen Umbau vorerst noch entgangen. Weite Teile des Programms stellten daher so etwas wie den Versuch dar, der regierungskritischen Zivilgesellschaft eine Stimme zu geben. Ist man in Tbilisi unterwegs, sieht man an...