Am Ende wirbt Ortsgruppenleiter Otto Schiendick für moralischen Relativismus: „Und jetzt sind wir alle friedlich vereint im Tod. Die Schurken und die Guten und die, die keines von beidem waren. Wir sind jetzt alle gleich. Alle friedlich zur Ruhe gelegt, als Fußnote in den Geschichtsbüchern.“ Grelles Licht und schriller Sound stören diese Fantasie vom Tod als großen Gleichmacher. Dann das Schlussbild: Alle stehen in Schwimmwesten an der Rampe und schauen ins Publikum.
Regisseur Janusz Kica baut für seine Uraufführung von Daniel Kehlmanns „Die Reise der Verlorenen“ am Theater in der Josefstadt ein Grande Finale. Da wird ausdrücklich aufs Symbol gebracht, was 110 Minuten lang Motor der Veranstaltung gewesen war: Dass da eine Parallele besteht, zwischen damals und heute, zwischen der MS St. Louis 1939 und den überfüllten Booten 2018, dass Einreisebeschränkungen, Asylbestimmungen und Seenotrettung über Leben oder Tod entscheiden.
Der diesjährige Frank-Schirrmacher-Preisträger Kehlmann („für herausragende Leistungen zum Verständnis des Zeitgeschehens“) arrangiert für sein viertes Theaterstück ein Erzähldrama mit dialogischen Versatzstücken. Die Geschichte basiert auf dem Buch „Voyage of the Damned“ von Gordon Thomas und Max Morgan-Witts aus dem Jahr 1974, welches 1976 in der Regie von Stuart Rosenberg verfilmt wurde. Das Buch wiederum verhandelt die reale Geschichte des Passagierschiffes MS...