Der Horatier
Erschienen in: Recherchen 12: Das Politische Schreiben – Essays zu Theatertexten (10/2012)
DER HORATIER, im Herbst 1968, nach dem Prager Frühling und seiner Niederschlagung geschrieben, 1973 in Westberlin uraufgeführt, ist ein Lehrstück; nach Reiner Steinwegs Auslegung der Brecht’schen Lehrstücktheorie also ein Stück für die Spielenden selbst, die sich durch das Ausführen der sprachlichen und körperlichen Gesten und durch Rollentausch in Dialektik üben. Es handelt sich wie bei Brechts DIE HORATIER UND DIE KURATIER um ein Stück für Schüler. Die Fabel stammt von Livius, das »Modell Tragödie« von Corneille.
Die Stadt Rom und die Stadt Alba haben, bevor sie gegen einen gemeinsamen Feind (die Etrusker) kämpfen können, einen internen Streit zu regeln. Um dabei nicht die Mannschaften zu opfern, losen sie je einen Stellvertreter aus, deren Duell den Streit entscheiden soll. Das Los fällt in Rom auf einen Horatier, in Alba auf einen Kuratier, der jedoch mit der Schwester des Horatiers verlobt ist. Dieser persönlichen Verbundenheit wegen werden beide gefragt, ob sie dennoch miteinander kämpfen wollen, oder ob ein zweites Mal gelost werden soll. Aber beide stimmen dem Kampf zu, der so endet, dass der Horatier – trotz der Bitte des schwer verwundeten, schon besiegten Kuratiers, sein Leben zu schonen – diesem den Todesstoß versetzt.
Der Horatier...