Skizze einer Vorgeschichte der Theaterpädagogik vom 10. Jahrhundert bis zum Ende des 19. Jahrhunderts
von Manfred Jahnke
Erschienen in: Lektionen 5: Theaterpädagogik (10/2012)
Assoziationen: Theaterpädagogik
Eine Theaterpädagogik-Geschichte vor 1900 konstruieren zu wollen, erscheint auf den ersten Blick paradox, hat sich diese Disziplin doch erst im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts etabliert und sich seitdem immer neue Arbeitsfelder erobert. Würde man diesen folgen wollen, müsste man ganz verschiedene historische Entwicklungsstränge auswählen: die Geschichte der Schauspielmethodik, die Geschichte des Kinder- und Jugendtheaters, die Geschichte des Spiels und des Theaters in Schulen, die Geschichte einer Pädagogik, in der Spielen zu einer didaktischen Methode der Anschauung wird, die Geschichte einer „ästhetischen Erziehung“ ganz im philosophischen Sinne dessen, dass der Mensch „nur da ganz Mensch ist, wo er spielt“ (Friedrich Schiller), als Geschichte der Spezifizierung der Intentionen der Aufklärung oder gar als eine Geschichte der „kulturellen Bildung“. Es ließen sich hier historische Einzelstudien in Fülle erstellen, je nachdem auch, unter welchem Schwerpunkt Theaterpädagogik erforscht werden soll.
Kulturvermittlung zwischen Volkssprache und Herrschaftssprache: von der Kirche zum „Bürgertheater“
„Kulturvermittlung“ und „kulturelle Bildung“ scheinen Begrifflichkeiten, mit denen sich Theatergeschichte und Theaterpädagogik vermitteln lassen. Um Letztere im historischen Kontinuum darzustellen, braucht es allerdings eine neue Verortung: Nicht Rekonstruktion von Bühnenmodellen, Dramaturgien oder Aufführungen ist angesagt, sondern die Analyse der funktionalen Theaterkonzepte – und dies umso mehr, als sich das Theater nach dem Verbot der...