Unendliche Musik
Brian Eno im Gespräch
von Brian Eno und Thomas Oberender
Erschienen in: CHANGES – Berliner Festspiele 2012–2021. Formate, Digitalkultur, Identitätspolitik, Immersion, Nachhaltigkeit (10/2021)
Thomas Oberender:
Ein durchgängiger Aspekt deiner Arbeit ist die Verschiebung von einem objektbasierten Verständnis von Kunst hin zu einem prozessorientierten Interesse an Kunst. Diese Verschiebung verändert tatsächlich eine Menge: Sie betrifft die Art der Produktion und Präsentation, unser Verständnis von dem, was das Werk eigentlich ist, und öffnet die Situation des Kunsterlebens stärker für Einwirkungen seitens des Publikums. Kunstwerke sind nicht mehr fertige Produkte, sondern Situationen in ständiger Veränderung. Alles begann, würde ich sagen, mit deiner Ausbildung an der Ipswich Art School. Was war das für eine Kunstschule, die du Ende der 1960er-Jahre besucht hast?
Brian Eno:
Ich hatte großes Glück. Eigentlich wollte ich ursprünglich auf eine andere Schule, denn die bekannteste Kunstschule in meinem Teil Englands befand sich in Colchester. Aber meine Eltern hatten kein Geld, und ich konnte keinen Zuschuss vom örtlichen Bildungsausschuss bekommen, um nach Colchester zu gehen. Also besuchte ich eher widerwillig diese andere Kunstschule, die Ipswich Art School. Ich ging 1964 dorthin und war zwei Jahre lang dort. Es war eine sehr kleine Hochschule, und sie hatte keinen guten Ruf. Aber zufälligerweise hatte genau zu dieser Zeit ein sehr charismatischer Lehrer, Roy Ascott, die Schule übernommen. Und er hatte eine ganze Reihe neuer Mitarbeiter*innen eingestellt,...