Revolution und Masochismus
Georg Büchner, Heiner Müller, Georges Bataille
Erschienen in: Recherchen 12: Das Politische Schreiben – Essays zu Theatertexten (10/2012)
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Bei mehreren Autoren des 20. Jahrhunderts findet sich eine auf den ersten Blick verblüffende Konstellation. In ihren Texten trifft ein intensives Interesse an Geschichte – Geschichte in dem besonderen Sinn des Prozesses der nicht nur politischen, sondern sozialen Revolution – zusammen mit der Imagination einer, sagen wir zunächst ganz allgemein: sadomasochistischen Sexualität/Erotik.
Da ist Georges Bataille, der von einem auf Nietzsche zurückgehenden Denken der »dépense« (Verausgabung) her eine nichtmarxistische politische Kritik des Kapitalismus verbindet mit einer Theorie des Erotischen, in der die Auflösung des Selbst in der Lust, der Aspekt des Masochistischen bis hin zu Entwürdigung, Tierähnlichkeit und Prostitution als das Wesen des Eros gedacht wird. Von Nietzsche inspiriert, deutet Bataille den Prozess der »Verausgabung« als das Wesentliche des Lebensprozesses, der Eros lebt aus der immer wieder erfolgenden »Überschreitung« der Gebote, welche Scham, Vernunft und Gesellschaft setzen. Eine Gesellschaft, die den Menschen die Möglichkeit zu rückhaltloser Verausgabung nimmt, steuert auf die Katastrophe zu: Unter dem fetischisierten Zwang zu Aneignung, Akkumulation und Produktion nehmen sie gezwungenermaßen die Möglichkeiten der »katastrophischen« Formen der Verausgabung (Aggression, Krieg, Faschismus) wahr. Parallel zu seiner politischen und philosophischen Reflexion schrieb Bataille ein »obszönes Werk«, in dem ebenfalls die sadomasochistischen Züge dominieren.
Peter Weiss stellt in...