Verkehrungsrituale in Afrika und Amerika
von Joachim Fiebach
Erschienen in: Welt Theater Geschichte – Eine Kulturgeschichte des Theatralen (05/2015)
Assoziationen: Afrika
Die Gogo in Tansania lebten als Ackerbauern und Viehzüchter in voneinander weitgehend unabhängigen Großfamilien und Hauswirtschaften. Einzig einem Ältestenrat wurde umgrenzte, nur für einige rituelle Zwecke ausgeübte Autorität über die inneren Belange der Großfamilien hinaus zugestanden. Es gab allerdings eine wesentliche soziale Differenz – die zwischen den Geschlechtern. Die Frau hatte eine verhältnismäßig niedrige Stellung, untermauert durch Arbeitsteilung und das patriarchalische Abstammungs- und Führungssystem der Linien. Ihre Tätigkeitsbereiche waren Haus und Feld, während die Männer das im Wertgefüge hochstehende Vieh warteten. Frauen erschienen als ewige Untergeordnete. Allerdings war die Trennungslinie nicht absolut fest. Auch Frauen konnten bedingt mit Vieh umgehen. Die unterschiedliche Stellung der Geschlechter war ein Ansatzpunkt für die Behandlung existenzieller Krisen. Waren Gesundheit und Produktionsfähigkeit von Menschen und Haustieren, daher die Existenz der Gemeinschaft, ernsthaft bedroht, inszenierte man Chaos, um die Katastrophe zu negieren. Normalität wurde zerstört, um Zerstörung zu verhindern, Krise und Katastrophe positiv zu wenden und die Produktion weiter zu sichern.
Häufigster Anlass war eine Rinderkrankheit. Die Symptome sind gut erkennbar. Als gefährlicher ritualer Zustand begriffen, als äußerste Krise, müssen im Fall einer Katastrophe wie der Rinderkrankheit normale Tätigkeiten verkehrt werden, um den „normalen“ Zustand wieder herzustellen. Die Männer selbst ersuchen die Frauen, das Vieh zu...