Essay
Labor der Gegenwart
Ein kleiner Rundblick auf die Möglichkeiten der neuen Oper
von Egbert Tholl
Erschienen in: Theater der Zeit: Neues Musiktheater (10/2025)
Assoziationen: Musiktheater Theater Regensburg Meininger Staatstheater Staatstheater Augsburg Opernhaus Zürich Bayreuther Festspiele Salzburger Festspiele Theater an der Wien Bayerische Staatsoper München Staatsoper Stuttgart
Hannover, Januar 2025. An der Niedersächsischen Staatsoper hat ein Werk Premiere, das ein Wagnis sein könnte, ein Aufreger, eine Oper, die eigentlich nicht hierhergehört, sondern nach München, wo sie spielt. Jetzt aber Hannover. In der Mitte des Abends hebt ein Höllengetöse an, musikalische Schichten überlagern sich, es lärmt und kreischt, die Musik schreit, flirrt aber auch, wird zu einem faszinierend beklemmenden Amalgam, dessen einzelne Bestandteile trotz der Anhäufung der Mittel erkennbar, identifizierbar, in ihrer virtuos definierten Gestalt erfahrbar bleiben. In diesem Strudel, dem Rausch, dem Untergang breitet sich der Text aus. Der Text ist von Roland Schimmelpfennig, die Musik von Michael Schimmelpfennig, die Oper heißt „Echo 72“ und handelt vom Attentat auf die israelischen Sportler während der Olympischen Spiele 1972 in München.
Eine Oper über das Olympia-Attentat von 1972 zu schreiben, wirkt wie ein Unterfangen größter Hybris, weil Oper zwar an sich oft vom Unsagbaren kündet, das Unsagbare aber dem realen Geschehen enthebt. Selbst Mieczysław Weinbergs grandiose Holocaust-Oper „Die Passagierin“ beruht letztlich auf einer Erzählung und ist nicht Dokumentation, obwohl alles darin richtig ist. Hier aber macht sich eine Opernaufführung auf, auf die Bilder zu verweisen, die jeder kennt, macht sich auf, Geschichte einzufangen, die zwar nicht mehr ganz Gegenwart...
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