Der Werkcharakter von Aktions- und Performancekunst in der gerichtlichen Beurteilung
Erschienen in: Recherchen 168: Der urheberrechtliche Schutz performativer Kunst – Theater, Aktion, Performance (09/2023)
Assoziationen: Recht
Nachdem der Werkbegriff ausgelegt wurde, wird in dem vorliegenden Kapitel untersucht, wie die Rechtsprechung anhand dieses Maßstabs Aktions- und Performancekunst beurteilt. Hierzu werden die wenigen zur Aktions- und Performancekunst bekannt gewordenen Rechtsprechungsfälle besprochen, auch um zu zeigen, wie die Gerichte versucht haben, diese Fälle einer möglichst sachgerechten Lösung zuzuführen, und welche Schwierigkeiten sie bei der Anwendung des gesetzlichen Werkbegriffs hatten. Bemerkenswert an der urheberrechtlichen Reflexion durch die Gerichte ist dabei, dass diese insbesondere das Verhältnis von Inszenierung und Aufführung problematisieren.
Signifikante Entscheidungen in dieser Hinsicht sind
•die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zum »Happening« von Wolf Vostell,281
•die Entscheidung des Landgerichts Hamburg zu »Eva und Adele«282 und
•das relativ junge Urteil des Bundesgerichtshofes zu der fotografierten Aktion von Joseph Beuys »Das Schweigen von Marcel Duchamp wird überbewertet«.283
1 »Happening«-Entscheidung des BGH
Die erste und bislang einzige Entscheidung, bei der sich das höchste deutsche Zivilgericht umfassend zur Aktions- und Performancekunst geäußert hat, ist die Leuchtturmentscheidung des Bundesgerichtshofes vom 6. Februar 1985.284 Streitgegenstand war ein »Happening« vom 25. Januar 1978.
a) Sachverhalt
Der Entscheidung des 1. Zivilsenats lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Der bildende Künstler Wolf Vostell unterrichtete im Wintersemester 1977/1978 als Gastprofessor an der Freien Universität Berlin....