Herr Veiel, wie ist Ihr Interesse an Joseph Beuys geweckt worden?
Das war ein biografisch-historischer Initiationsakt. Ich bin in einer Stuttgarter Vorortsiedlung aufgewachsen und war Ende der siebziger Jahre auf der Suche nach Menschen, die mich inspirieren und mir Möglichkeiten des Ausbrechens anbieten könnten. Zu dieser Zeit gab es den zerfallenden Mythos der RAF, deren Begriffe so hermetisch und so betoniert waren wie die Garageneinfahrten in meiner Vorortsiedlung. Weder Humor noch Zweifel hatten da einen Platz. 1977 bin ich zur Documenta nach Kassel getrampt und habe die Honigpumpe von Beuys gesehen. Ein Sinnbild dafür, etwas in Bewegung zu bringen, eine physische Kraft, aus der das Denken hervorgeht. Nebenher gab es eine Reihe von Gesprächsinitiativen, bei denen mir klar wurde, dass Theorien den Zweifel einschließen müssen. Das hat mich fasziniert und begeistert.
In Ihrem Film von 2017 erscheint Beuys sehr charismatisch. Ein früher Performancekünstler, nicht nur was die performativen Inhalte seiner Arbeiten betrifft. Er hat sich auch äußerst geschickt selbst in Szene gesetzt.
Er hat genau gewusst, wie seine „Marke“ zu inszenieren war. In einer Menschenmenge war er mit Filzhut und Anglerweste nicht zu übersehen. Er war medial unglaublich präsent und hat das auch benutzt. Andererseits hat er aber auch gesagt:...