Magazin
Moderne Totentänze
Kunstsammlungen Chemnitz (Hg.): Andy Warhol. Death and Disaster. Kerber Verlag, Bielefeld 2014, 136 S., 39,95 EUR.
von Gunnar Decker
Erschienen in: Theater der Zeit: Je suis Charlie (02/2015)
Ist das angewandter Voyeurismus oder kongenial künstlerische Verarbeitung unserer modernen Wirklichkeit? Wahrscheinlich beides, denn Andy Warhol nimmt den medialen Voyeurismus auf, er wird ihm zum Stoff für fotografische Tableaus, die im Abbildhaften etwas Urbildhaftes aufscheinen lassen. Die boulevardeske Gier auf fremdes Leid wirft dunkle Schatten; mit Beklemmung erkennen wir hier plötzlich die Wiederkehr eines mittelalterlichen Sujets: des Totentanzes.
Der Tod ist ein zentrales Thema im Werk Warhols. Inmitten der schönen neuen Konsumwelt greift er plötzlich nach uns, genauso brutal und hässlich wie an den Anfängen der Menschheit. Aber wie Rilke in „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ konstatiert: Kaum einer hat mehr einen eigenen Tod, der zu ihm passt. Auch der Tod ist ein fabrikmäßiges Massenprodukt geworden, er wird in Serie produziert. Darum geht es in der Ausstellung „Andy Warhol. Death and Disaster“, die die Kunstsammlungen Chemnitz noch bis zum 22. Februar zeigen und zu der ein aufwendig gestalteter Katalog erschien.
Der Tod im Zeitalter technischer Hochbeschleunigung ist allem ein Unfall, eine Havarie der Systeme, die sich zur Katastrophe auszuwachsen vermag. Da kehrt die Apokalypse gleichsam durch die Hintertür der Fortschrittsideologie zurück. Und das mit aller grausamen Wucht. Das wird dann zur Kehrseite des amerikanischen Traums: Der Tod in der...