Star-Theater ohne Stars?
von Herbert Jhering
Erschienen in: Theater der Zeit: Stoff, Inhalt, Form (08/1946)
Assoziationen: Dossier: Bühne & Film
So paradox es klingt, so einfach ist es: nicht die großen Schauspieler, sondern die sogenannten zweiten Besetzungen stehen am Beginn des Startheaters. Kainz und Matkowsky spielten am Burgtheater und am Königlichen Schauspielhaus unter dem Zulauf des Publikums ihre Rollen, aber niemandem wäre es eingefallen, sie deshalb als Stars zu betrachten. Ihre Namen wurden auf den Programmen nicht größer gedruckt als andere, und erst, wenn sie draußen gastierten, prangten sie im Schmuck außergewöhnlicher Titel und Reklamen. Ja, als Matkowsky schon ein schwerkranker Mann war, sprang er noch für einen Kollegen ein, und ein winziger Zettel verkündete im Hause: "Wegen Erkrankung des Herrn Lindner spielt heute Herr Matkowsky den Orest."
Olto Brahm halte sein geschlossenes Ensemble, in dem die schwacheren Kräfte auf den Ton des Ganzen ebenso abgestimmt waren wie Oscar Sauer, Bassermann und Else Lehmann. Max Reinhardt hat seine Truppe aus der Provinz und aus unbeobachteten Berliner Steilungen erst zusammenengagiert und herangebildet, darunter später so berühmte Schauspieler wie Lucie Höflich, Hedwig Wangel und Gertrud Eysoldt, wie Rudolf Schildkraut, Paul Wegener, Alexandet Moissi, Viktor Arnold, Hans Waßmann, Paul Biensfeld und Max Gülslorff. Einzelgastspiele außerhalb dieser Gemeinschaften gab es anfangs nicht. Die Theater selbst gastierten mit ihren durchkomponierten Vorstellungen. So sah ich schon...