Modell Oper Stuttgart
Fünfzehn Spielzeiten als Intendant 1991–2006
von Klaus Zehelein
Erschienen in: Unerhörte Augenblicke – Autobiographie (09/2025)
Assoziationen: Musiktheater Baden-Württemberg Staatsoper Stuttgart

Die Berufung
Wolfgang Gönnenwein war mein Orgellehrer im Internat in Michelbach an der Bilz gewesen. Kein unsympathischer Mann. Er hatte eine steile Karriere hingelegt, die ihn vom Chorleiter, vom Professor und Rektor an der Stuttgarter Musikhochschule über die langjährige Verantwortung für die Ludwigsburger Schlossfestspiele bis zum Staatsrat für Kunst am Kabinettstisch des von der Presse sogenannten schwäbischen „Sonnenkönigs“, des Ministerpräsidenten Lothar Späth, geführt hat. Seit 1985 war der Duzfreund und Protegé Späths überdies Generalintendant der Württembergischen Staatstheater.
Der Staatsrat und Generalintendant Gönnenwein rief mich Ende des Jahres 1989 an und bot mir die Direktion der Staatsoper Stuttgart an. Während eines zweiten Gesprächs bemerkte ich anfangs eine gewisse Ungeduld, so, als bedränge ihn etwas, bis er deutlicher wurde: „Es muss jetzt eine Zäsur geben, einen Einschnitt, so etwas wie einen Neuanfang. Ich habe an Sie gedacht. Sie müssen kommen.“ In den 1970er und 1980er Jahren war Gönnenwein auf der Welle des zweiten schwäbischen Wirtschaftswunders gesurft: Mit den Erträgen von den großen Familienunternehmen im Maschinenbau, von Mercedes-Benz, von Porsche usw. und einer Regierung, die quasi in Erbpacht der CDU war, breitete sich eine Goldgräbermentalität in Baden-Württemberg aus. Die hatte Auswirkungen auf den Charakter: „Gönnenwein war maßlos und ehrgeizig“, stellte Götz Thieme in...