Magazin
kirschs kontexte: Alle Kinder sagen Dada
Ein Jahrhundert Jekami
von Sebastian Kirsch
Erschienen in: Theater der Zeit: Wo ist Wir? – Armin Petras in Stuttgart (03/2016)
Hundert Jahre alt wird Dada 2016, hundert Jahre ist es im Februar her gewesen, dass Hugo Ball und Emmy Hennings in Zürich das Cabaret Voltaire eröffneten. Und mögen die Veranstaltungen und Publikationen ins Unüberschaubare wachsen, die für das Dada-Jahr zu erwarten sind: In einer Zeit, in der so mancher das Duchamp’sche Pissoir wieder an seinen ursprünglichen Aufstellungsort zurückführen möchte, kann die Erinnerung daran nicht schaden, was Dada, pardon, „bedeutet“. Schließlich wäre ein Großteil auch der interessantesten Theaterarbeiten, die man heute sehen kann, nicht denkbar ohne den Slogan „Jekami“ (Jeder kann mitmachen), den die Dadaisten einst ausriefen.
Überhaupt: Blättert man heute in den Tagebüchern des anfangs ja als Dramaturg tätig gewesenen Hugo Ball, ist man immer wieder erstaunt über die Frische der Aufzeichnungen und Bemerkungen zum Theater – je nachdem allerdings auch ein wenig entmutigt. „Als ich im März 1914 den Plan eines neuen Theaters erwog, war dies meine Überzeugung: Es fehlt eine Bühne der wahrhaft bewegenden Leidenschaften; ein jenseits der Tagesinteressen experimentierendes Theater.“ Man kann es durchaus ernüchternd finden, dass solche Sätze auch heute noch zu jeder ernst zu nehmenden Theaterbiografie gehören. Aber auch Balls Wahrnehmung der zwischen Dauerkrise und Ermattung schlingernden westlichen Gesellschaften des Jahrhundertbeginns kommt einem unangenehm vertraut...