Magazin
Zerrissene Träume
Marina Frenk: ewig her und gar nicht wahr. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2020, 240 S., 22 EUR.
von Erik Zielke
Erschienen in: Theater der Zeit: Die Spieler – Das Schauspielhaus Bochum (06/2020)
„Das Problem des Schriftstellers, überhaupt des Künstlers, ist doch, daß er sein ganzes werktätiges Leben versucht, auf das poetische Niveau seiner Träume zu kommen.“ So hat Heiner Müller die Herausforderungen künstlerischer Arbeit auf den Punkt gebracht, woran die Romandebütantin Marina Frenk anknüpft. Traumerzählungen sind es, die sich durch ihr kürzlich im Wagenbach Verlag erschienenes, collagenhaft angeordnetes Prosawerk „ewig her und gar nicht wahr“ ziehen. Die Autorin macht nicht den peinlichen Fehler, die Träume als bloßes Werkzeug für Erklärungen der Handlung zu nutzen, sondern sie schafft mit ihnen symbolträchtige, eigenständige Miniaturen innerhalb dieses – ohnehin an Bildern überreichen – Romans.
Im Zentrum des schmalen, aber vielschichtigen Buchs steht Kira, eine junge bildende Künstlerin, die man wohl zu Recht als Grenzgängerin bezeichnen kann: Als russische Jüdin in Moldawien geboren, wird sie mit ihrer Familie schnell zum Opfer der falschen Freiheitsverheißungen, die mit dem Zerfall der Sowjetunion einhergehen. Der Weggang nach Deutschland ist die Folge. Kira bewegt sich zwischen künstlerischem – und auch kommerziellem – Erfolg und Selbstzweifel. Hinzu kommt eine überfordernde persönliche Lage – aus Mutterschaft, Eifersucht, erlöschender Liebe und Sehnsucht. Die Schlaglichter auf die bewegte Vergangenheit und Gegenwart der Hauptfigur werden ergänzt durch Einblicke in die Familiengeschichte, die in ihr fortwirkt:...