Definition
von David Roesner
Erschienen in: Recherchen 151: Theatermusik – Analysen und Gespräche (11/2019)
Die wichtigsten Gattungsbestimmungen zur Schauspielmusik sind zum Teil älteren Datums oder zumindest vorwiegend an historischen Formen orientiert und entwickelt.9 Ich werde daher die bisherigen Definitionen kurz problematisieren und mit dem terminologischen Wechsel von ›Schauspielmusik‹ zu ›Theatermusik‹ ein neues Verständnis auch begrifflich markieren. Zum einen wähle ich den breiteren Begriff ›Theater‹, weil im Kontext von postdramatischen Theaterformen10, Devised Theatre11, Romanadaptionen, Stückentwicklungen und vielem mehr12 die Rückbindung an ein ›Schauspiel‹ im traditionellen Sinne oft gar nicht mehr gegeben ist.13 Es gibt heute viel Theatermusik, die keine Schauspielmusik ist. Zum anderen suggeriert ein Verständnis von Schauspielmusik als Gattung, dass es intrinsische Merkmale geben müsse, wie sie auch eine Sonate, ein Singspiel oder ein Madrigal aufweisen, anhand derer man Schauspielmusik also von anderen Formen abgrenzen könne. Eine solche Merkmal- bzw. Kriterien-orientierte Gattungscharakteristik halte ich, so viel sei bereits vorausgeschickt, angesichts heutiger Theatermusikpraxis nicht für sinnvoll.
In ihren Schriften zur Schauspielmusik14 setzen sich auch Detlef Altenburg und Lorenz Jensen kritisch mit dieser Frage auseinander und stellen fest: Die Schauspielmusik entziehe sich etablierten musikwissenschaftlichen Methoden der Kategorisierung durch ihre mangelnde Eigenständigkeit und Werkhaftigkeit sowie ihre geringe Repertoirefähigkeit. Außerdem seien die Grenzen zu anderen Gattungen, wie z. B. der...