Theater der Zeit

Serie Post-Ost

Meine Ossi-Werdung und was sie heute bedeutet

Serie: Post-Ost

Im Superwahljahr 2024 mit Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg (am 1. und 22. September) laufen die Diskussionen über den Osten Deutschlands auf Hochtouren. Meist geht es dabei nur um eins: Wie viel rechts geht oder darf noch? Und damit verrutscht schon der Blick. In dieser Serie meldet sich die Gene­ration Post-Ost zu Wort, also Menschen, die von der Herkunft aus Ostdeutschland, aber nicht mehr direkt durch die DDR geprägt sind, Leute aus den verschiedensten Theaterberufen sowie bereits renommierte Autor:innen und Journalist:innen.

von Valerie Schönian

Erschienen in: Theater der Zeit: Konflikt Kunstfreiheit – Politische Antike „Die Orestie“ in Epidauros (09/2024)

Assoziationen: Debatte Dossier: Post-Ost(deutsch)

Foto: Johanna Wittig

Neulich fragte mich wieder jemand nach dem Unterschied zwischen gleichaltrigen Westdeutschen und mir. Das werde ich oft gefragt, es gibt darauf viele Antworten. Eine ist ganz einfach, sie klingt fast banal: Ich bin eben in Ostdeutschland aufgewachsen. Und der Osten ist nicht einfach verschwunden mit der DDR, er ist ein anderer Sozialisations- und Erfahrungsraum geblieben. Für die anderen Antworten muss man etwas ausholen. Also von vorn. Dass ich in Ostdeutschland aufgewachsen bin, das war mir lange selbst nicht klar. Ich bin geboren im Herbst 1990, wenige Tage vor der Wiedervereinigung, in Gardelegen in Sachsen-Anhalt. Aufgewachsen bin ich in Magdeburg. Damit gehöre ich zur ersten Ostgeneration, die Pampers trug statt Windeln aus Baumwolle, für die das Nutella immer ganz selbstverständlich neben dem Nudossi stand. Trotzdem hat das Thema für mich lange keine Rolle gespielt. Während ich zur Schule ging, bestand Deutschland für mich aus 16 Bundesländern, Ost und West waren Himmelsrichtungen, die DDR-Geschichte wie das Römerreich: abgeschlossen und vorbei.

Dass sich das geändert hat, war ein Prozess. Angefangen hat dieser, als ich für kurze Zeit nach München zog. Das war im Jahr 2014, als Pegida in Dresden anfing zu marschieren. Ich stand in München auf einer Gegendemonstration, doch etwas unterschied mich...

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