Im Wintersemester 2014/15 hatte die österreichische Schriftstellerin Kathrin Röggla die Poetikdozentur an der Universität Duisburg-Essen inne. Neben Reflexionen über Literatur und Politik, Mündlichkeit und Schriftlichkeit ging es im dritten Teil ihrer Vorlesungsreihe um das Arbeiten mit fiktionalen und/oder dokumentarischen Mitteln. Wir veröffentlichen einen Ausschnitt aus diesem Text – einer Mischung aus Tagebuchaufzeichnungen und Essay –, der vorausblicken soll auf eine Diskursreihe, in der sich Theater der Zeit ab Mai dem Thema Neuer Realismus widmet. Kathrin Röggla ist, ebenfalls ab Mai, regelmäßige Kolumnistin von Theater der Zeit.
Wo ist unsere Wut hin? Sie scheint nicht mehr jene in Farbprismen zerlegbare Wut zu sein, sondern eine schwarze Wut, einfarbig, wenn man das als Farbe bezeichnen möchte, und zäh. Sie unterhält stets Verbindungen zu dem Hauptgefühl unserer Zeit: Angst. Nein, unsere zumindest in Deutschland durch relativen Wohlstand geprägte Zeit hat nicht etwa Sicherheits- und Wohlstandsgefühle zur Folge, sondern Unsicherheit, Angst, Orientierungslosigkeit. Die Angststörungen und Depressionen nehmen stetig zu, kann man allen Publikationen von Alain Ehrenberg bis zur Süddeutschen Zeitung entnehmen. Wir sind insofern immer weniger in gewissen Genres wie dem Thriller oder dem Krimi zu Hause, sondern mehr im Katastrophenfilm, dem Horrorgenre und gewissen Formen des dystopischen Science-Fiction: „Die Tribute von Panem“, „Minority...