Protagonisten
Der Reichtum der Einfachheit
Zum Tod des großen litauischen Regisseurs Eimuntas Nekrošius
von Thomas Irmer
Erschienen in: Theater der Zeit: Edgar Selge: Der helle Wahnsinn (01/2019)
Assoziationen: Akteure
Inmitten der Vorbereitungen für die Inszenierung einer Neufassung von „Ödipus auf Kolonos“ im Amphitheater von Pompeji ereilte ihn in Vilnius der Tod, einen Tag vor seinem 66. Geburtstag. Die Präsidentin Litauens, Dalia Grybauskaitė, würdigte ihn in einer Beileidsbekundung, die für die politische Welt bemerkenswert ist, mit den Worten: Eimuntas Nekrošius habe als „außergewöhnliches Talent unser Land repräsentiert und Litauens Namen in die Welt getragen“.
Nekrošius war tatsächlich ab den späten 1980er Jahren der Repräsentant des litauischen Theaters, aber er war vor allem der Schöpfer eines eigenen Theaterkosmos. Oft waren es Klassiker, denen er mittels einer originären Bildsprache, flirrender Atmosphären und einer existenziellen Sicht auf den Einzelnen zu neuer Deutung verhalf. Höhepunkte waren die Trilogie aus Shakespeares großen Tragödien „Hamlet“, „Othello“ und „Macbeth“ (1997 bis 2002) und seine Version von Goethes „Faust“ (2006). Abseits des bereits hoch technologisierten Theaters seiner Kollegen arbeitete er mit elementar einfachen Mitteln: Wasser, von Luft bewegten Tüchern, Naturstein. Damit erhielten seine mitunter überlangen Inszenierungen etwas Antikes, was im starken Kontrast zu seiner Analyse der modernen menschlichen Verhängnisse stand, sie dadurch aber noch mehr schärfte. Dass sein Theaterstil lange Zeit als „metaphorisch“ gepriesen wurde, wäre von heute aus erneut zu überprüfen. Gewiss, die Othello auf der Bühne...