Magazin
Es wechseln die Zeiten
Zum Tod der Sängerin und Schauspielerin Gisela May
von Thomas Irmer
Erschienen in: Theater der Zeit: Freude verdoppelt sich, wenn man sie teilt – Geld nicht. – Lukas Bärfuss (01/2017)
Eine herbe Diseuse im schwarzen Hosenanzug und mit Krawatte – das war das von ihr selbst sorgfältig gepflegte Image. Doch Gisela May, 1924 im hessischen Wetzlar geboren und während der Kriegsjahre in Leipzig als Schauspielerin ausgebildet, war in ihrer Doppelbegabung als singende Schauspielerin und darstellende Sängerin stets viel mehr.
Als sie 1951 ans Deutsche Theater nach Berlin kam, wurde sie von Wolfgang Langhoff gleich in seinen beiden wichtigen Klassiker-Inszenierungen besetzt: Als Eboli in „Don Carlos“ und in der Titelrolle von Lessings „Minna von Barnhelm“. Es war bald darauf Hanns Eisler, der die Doppelbegabung erkannte, was Kollege Paul Dessau später treffend kommentierte: „Die May singt nicht schön, sie singt richtig.“ Eine doppelte Laufbahn bot sich Gisela May, als sie 1961, geradezu folgerichtig, ans Berliner Ensemble wechselte. Dort spielte sie – in ihrer am längsten währenden Bühnenrolle – in Erich Engels und Wolfgang Pintzkas Inszenierung von Bertolt Brechts „Schweyk im Zweiten Weltkrieg“ bis weit in die siebziger Jahre an die 700 Mal die Wirtin Frau Kopecka mit ihrem „Lied von der Moldau“, später, ab 1978, dann die „Mutter Courage“. Parallel dazu eroberte sie in einer internationalen Solokarriere mit Brecht-Weill-Eisler-Liederabenden sogar den Broadway und überzeugte in markanten Rollen in Fernsehfilmen, etwa als „Jenny...