Spuren des Oralen: die Wunde Ophelia, Lavinia (1989, 2014)
von Evelyn Dörr
Erschienen in: Recherchen 114: Fiebach – Theater. Wissen. Machen. (06/2014)
20. Januar 2014
Was die Theaterwissenschaft in der DDR für mich so besonders machte, war der einzigartige Denkraum, den sie bot – und hier meine ich besonders Joachim Fiebachs Seminare über Theater und Medien. Nicht nur wurden hier fundierte Theatergeschichte und wesentliche theaterästhetische Leitlinien vermittelt, ich denke an Von Craig bis Brecht, die halfen, mit dem Theater bekannt zu werden und die Untergründe des „Theatralen“ abzutasten, sondern – mehr noch – Fiebach nahm uns mit auf seine „Reisen“ zum Theater in Afrika oder zu den Inseln der Unordnung, Bücher an denen er zeitnah gerade gearbeitet hatte. „Das Bleibende ist das Flüchtige.“ / „Die Ideen und die Körper“ / „Wir lieben es, Nomaden zu sein ...“ / oder „Theater als Zeitmaß gebremster Explosion“ – Fiebachs Reflexionen standen für mich für ein Poetischwerden von Wissenschaft; sie boten Denkräume, in die ich erste eigene Gedanken über Theater und den damals so viel beschworenen Begriff der „Theatralität“ einbetten konnte; es waren für mich Wege zur Schärfung eines Theaterinstinkts, zur Entwicklung eines theatralen Nervensystems, zur Selbsttransformation. Für eine Auseinandersetzung mit der Oralität und szenischer Präsenz (Stimmarten, Sprechweisen, räumliche Dispositionen) stehen auch meine beiden Texte über Heiner Müllers Hamletmaschine, Titus Andronicus...