Was Heiner Müller in „Germania 3. Gespenster am Toten Mann“ als Zitatengewitter auf den Zuschauer niederprasseln lässt, benennt das Scheitern von Ideologien und Utopien im vergangenen Jahrhundert. Während Müller 1995 das Theaterfragment als adäquate Antwort auf die Historie ansah, weil die Montage sich der Konsumierbarkeit widersetzte, lässt der neue Intendant in Senftenberg, Manuel Soubeyrand, die Szenen spielerisch direkt ineinanderfließen. So wird Müllers auf düsterem Pathos stolzierender Text zu Beginn eines Spektakels und der Spielzeit nicht konsumierbarer, aber durchaus genauer (er)fassbar. Müller riet vor seinem Tod 1995 Leander Haußmann: „Mach’s leicht.“ Was weder Haußmann bei seiner Bochumer Uraufführung 1996 gelang noch Martin Wuttke im gleichen Jahr am Berliner Ensemble oder Frank-Patrick Steckel am Akademietheater Wien und Dimiter Gotscheff 1997 in Hamburg.
Nun also Senftenberg. Anfangs erzählen die Schauspieler, teils chorisch, vom Turmbau zu Babel. Soubeyrand hat den Text von Kafka, den Heiner Müller als Menetekel vor Ende des Stücks im Partystreit von DDR-Bürgern zitiert, als eine Art Motto vorangestellt. Die Bühne von Gundula Martin zeigt eine gekachelte Küche. Auf einem breiten Tisch wird gefressen, getötet oder vergewaltigt, und er dient als Schutzschild im Krieg. Durch diese Küche strömen alle Täter und Opfer.
Die Geschichte der Befreiung des Menschen beginnt an der...