Ein fast sirenenhafter Chorgesang mit dem unleugbaren Potenzial, einen einzulullen, von suggestiver musikalischer Einfachheit. „This year the sea is as green as the forest“, eine Liedzeile, langsam sich auf Endsilben ausruhend. Doch wie bei den mythologischen Sirenen ist Aufmerksamkeit geboten: Unter dem gleißenden Licht riesiger Lampen, die in einer alten Lagerhalle über einem künstlich aufgeschütteten Sandstrand hängen, wird von den dort auf Badehandtüchern dösenden Sonnenanbetern der Burn-out des Planeten besungen.
Die zeitkritische Opernperformance „Sun & Sea (Marina)“ der litauischen Künstlerinnen Rugilė Barzdžiukaitė, Vaiva Grainytė und Lina Lapelytė war der diesjährige Überraschungssieger auf der Biennale in Venedig: Das Trio gewann den Goldenen Löwen für den besten nationalen Beitrag. Seitdem strömen unzählige Besucher in das alte Gebäude im Militärhafen vis-à-vis des Arsenale-Geländes, um dort auf einer umlaufenden Empore aus der Vogelperspektive die unter ihnen im Sand liegenden Performer zu betrachteten und ihrem Gesang zu lauschen, der nach circa siebzig Minuten stets übergangslos in eine nächste Wiederholung geht und über acht Stunden seinen Sog entwickelt. Ein seeeehr langer Tag am Strand.
Was sich da unten im Sand paniert und unter der künstlichen Sonne brutzelt, ist ein „fleischliches Tableau vivant“, ein Abbild unserer Gesellschaft, Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten, alt, jung, männlich oder weiblich,...