Dass ich Theaterkritiker geworden bin, daran sind im Wesentlichen zwei Leute schuld: Fritz Erpenbeck, 1954 mein erster Chef bei Theater der Zeit, und Herbert Ihering (1888 – 1977). Beide habe ich schon gelesen, da ging ich noch zur Oberschule, und Theaterkritiker war eher eine utopische Vision als ein realistischer Berufswunsch. An Erpenbeck schätzte ich die einfachen, politisch unterfütterten Wahrheiten, an Ihering – das eher ergänzend als korrigierend – die differenzierte ästhetische Wertung, die freilich nie die politische Dimension des rezensierten Gegenstands aus dem Auge verlor. Um es an einem markanten Beispiel zu verdeutlichen: Erpenbeck lehnte Sartres „Fliegen“ – in Jürgen Fehlings Regie eine der herausragenden, freilich auch polarisierenden Inszenierungen der späten Vierziger – mit ihrem existenzialistischen Diskurs über Freiheit und Verantwortung als politisch kontraproduktiv ab, während Ihering – bei aller auch bei ihm zu spürenden Skepsis und seiner Kritik an der Dekonstruktion des antiken Vorbilds – doch die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Autor und seinem Werk für unverzichtbar hielt.
Die schmalen im Aufbau-Verlag erschienenen Bändchen „Berliner Dramaturgie“ und „Vom Geist und Ungeist der Zeit“ (und andere) sowie die bei Henschel erschienenen Almanache „Theaterstadt Berlin“ (1948) und „Theater der Welt“ (1949) gehörten zum Grundstock meiner Theaterbibliothek, und sie waren Orientierungshilfen in...